Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


4.1.1.3 Struktur der Struktur: Erkennen und Mitdenken

Die Funktions-Struktur unseres Hirns ermöglicht uns etwas, das bisher kein Computer kann:

a) Einen ununterbrochen fortlaufenden Möglichkeitsbaum („Erwatungsbaum“) der Folgen des von uns im Jetzt Erkannten für die zu erwartende Zukunft aufzubauen. (Das können auch die Tiere, siehe dort!)

b) „Fehler“ in komplexen Strukturen („Bildern“) zu erkennen, für die ein Erwartungsvergleich vorliegt.

Beides, der Möglichkeitsbaum und die Erfahrung, erordern einen riesigen Speicherplatz und einen superschnellen Vergleichs-Algorithmus. Beides kann ein sequentieller Computer nicht leisten. Unser Hirn leistet das, und das sogar unter ständigem Sterben und Neubilden von seinen Basis-Elementen, den Hirnzellen.

Es ist zu erwarten, dass zeitigstens der Quantencomputer ähnliches zu leisten imstande sein wird.

Wie so oft im Leben, bringen uns Fehlleistungen dazu, Teile eines Funktionsschemas zu durchschauen. Hier hilft uns zum Beispiel das bekannte „Déjà-vu“, das Gefühl, etwas gerade Erlebtes („Gesehenes“) schon einmal erlebt („gesehen“) zu haben. Ich gehe davon aus, dass hier der Möglichkeitsbaum mit dem Signaleingang des gerade Erlebten falsch verknüpft wird. (Diese „Verknüpfungen“ sind schließlich keine physischen Standleitungen, sondern temporal und lokal [also physisch] ständig variierende Synapsen, die zwar einem Hirnbereich, nicht aber einzelnen Zellen zuzuordnen sind.) Dadurch können wir das gerade Erlebte und das Erinnerte nicht unterscheiden. Hier „verschluckt“ sich die Lernschleife; und wir erkennen daraus nun außerdem, mit welch irrsinnig hoher Geschwindigkeit unser Apparat zu lernen imstande ist.

Diese Funktions-„Struktur“ unseres Hirns hilft uns sogar, erwartbare Strukturen so zu abstrahieren, dass wir z.B. als Autofahrer sogar in einer fremden Stadt erkennen, dass da ein Defekt in einer Straße ist und wir reagieren müssen, obwohl wir diese Straße noch nie gesehen haben. Da diese Abstraktion von uns nicht bewusst betrieben wird, dürfen wir annehmen, dass auch Tiere dazu in der Lage sind.

(Nachbars Katze kennt uns zwar persönlich, aber sie geht bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass wir zu ihr nett sind, weil alle Nachbarn [abstrahierte „Nachbarn als solche“] nett zu ihr sind. Ob sie auch von sich auf „alle Katzen“ abstrahieren kann, folgt daraus noch nicht.)

(Eine Krähe merkt sich, dass Autos ihr nichts tun und überträgt das auf „Autos an sich“ und bleibt 2 m neben der Fahrbahn sitzen, auch wenn ein fremdes Auto kommt! Wird ein gewisser Grad der Fremdheit – zum Beispiel durch einen Sattelschlepper – überschritten, setzt der alte Fluchtreflex wieder ein. Dieser ist – man sollte das nicht vergessen – eine binäre Entscheidung, die auch auf der Basis einer ursprünglich analogen Messung oder eines analogen Soll-Ist-Vergleichs [Größe, Entfernung] erfolgen kann.)

Fazit:

Ohne diesen synchron mitlaufenden Erfahrungs-gestützten „Erwartungsbaum“ wären wir nicht in der Lage, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit „richtig“ auf unsere Sinneseindrücke (als auswahlbasiertes Umwelt-Abbild) zu reagieren.

Seine Fehlleistungen bieten uns eine Chance, ihn zu studieren (z.B. auch durch Zauber-Tricks, optischen Täuschungen etc.).

Seine Kenntnis ermöglicht uns, unser Leben zu optimieren, indem wir zum Beispiel unseren Kindern raten, im Schul-Unterricht „gut aufzupassen“, das heißt, nicht nur einfach zuzuhören, sondern viel besser vorauszudenken, was der Lehrer gleich sagen könnte; denn dann können wir einen hypothetischen Zweig des Erwartungsbaums durch einen gesicherten ersetzen und auf ausgiebige Merk-Trainings-Hausaufgaben verzichten und viel Zeit für Hobbies gewinnen.

Das Verstehen von Sprache und das Genießen von Musik sind die überzeugendsten Beispiele für das unbewusste und synchrone Funktionieren des Erwartungsbaumes, wie auch das „blinde Verstehen“ zwischen Spielern einer physisch und mental eingespielten Mannschaft.

Es ist uns gegeben. Nutzen wir es. Bis „selbstfahrende Autos“ mit „neuronalen Netzen“ und „selbstlernendem Erfahrungshintergund“ („künstliche Intelligenz“, früher „Experten-System“) Normalität sein werden, müssen auch wir noch viel lernen.

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