Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


2.8.4.0 Eine Vorbetrachtung: Galilei-Transformation

Hier soll jener Typ der Galilei-Transformation praktisch behandelt werden, bei dem in ein geradlinig gleichförmig bewegtes Koordinaten-System übertragen wird.

Ein anschauliches Beispiel ist wegen seiner Unanschaulichkeit ein allgemeiner (speziell also ein völlig beliebiger) Satz von Anfangsbedingungen für ein gravitatives 2-Körperproblem, der aus 6 kartesischen Orts- und 6 kartesischen Geschwindigkeits-Komponenten besteht. Im allgemeinen sind die beiden Geschwindigkeits-Vektoren „windschief“, das heißt, es gibt keine Ebene, der sie beide gleichzeitig angehören.

Es wirkt nun im weiteren lediglich die gegenseitige Schwerkraft. Natürlich kann man das numerisch integrieren und erhält dann zum Beispiel folgendes Bild (als Projektionen auf alle drei Ebenen):


Aus den Anfangs-Geschwindigkeiten kann man nicht unmittelbar ein Koordinatensystem ableiten, das dieses „Vorbeifliegen“ der beiden Körper aufhebt. Überhaupt scheint es fast unmöglich zu glauben, dass das ein ebenes Problem sein soll, wie wir von Kepler gelernt haben. Die Überzeugung, dass es im Zweikörperproblem keine Schwerkraft geben kann, die nicht in Richtung des gemeinsamen Schwerpunktes wirkt und also kein Drehmoment ausüben und also den Drehimpuls nicht zu ändern in der Lage sein kann, hilft unserer (genetisch bedingten) schwachen 3D-Vorstellung auch nicht weiter.

Wenn wir aber im Laufe der Integration jeweils den Schwerpunkt bestimmen und die Koordinaten auf diesen umrechnen, ist plötzlich das gewohnte Bild verschränkter ähnlicher Ellipsen da! Machen wir eine Proberechnung, sind alle drei Schwerpunktgeschwindigkeitskomponenten tatsächlich zeitlich konstant (auch der Impuls des Systems ist also tatsächlich unverändert).

So sieht das dann aus (exakt der oben angegebene Fall!):


Die beiden windschiefen Anfangs-Geschwindigkeits-Vektoren haben uns keine Chance gelassen, das zu erraten.

Im Umkehrschluss wird es aber klar:

Zwei Vektoren, die antiparallel, aber mit unterschiedlichem Betrag in einer Ebene (z.B. der x-y-Ebene) liegen, können durch Addition ein- und desselben Vektors, der aus dieser Ebene herauszeigt, zu einem windschiefen Paar gemacht werden. Es ist genau der (negative!) Vektor der obigen Galilei-Transfomation:

r -> r + v*t

Das, was am Anfang also wie ein Beispiel für „chaotische Systeme“ (siehe dort) wirkte, klärt sich somit zum einfachen Kepler-Ellipsen-Paar auf, indem mit

vx = -0,02; vy = -0,05; vz = -0,15

transformiert worden ist.

Im nächsten Abschnitt wird es allerdings tatsächlich turbulenter!