Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


0.5.1 Schlottwitz

Das Schlottwitzer Gangsystem ist so komplex, dass man es in einem 1000-seitigen Buch beschreiben müsste. Es gibt allerdings dazu schon sehr viele Veröffentlichungen.

Mein Anliegen hier ist es dagegen, interessante Details aus der Struktur des Bandes heauszufinden, die zur allgemeinen Genese oder Fundstellen-übergreifend etwas zum Osterzgebirge aussagen können.

Das verzweigte Gangsystem birgt viele seltene Besonderheiten, die als Trophäen gelten, sofern man glücklicher Besitzer oder gar Finder sein darf. Nun ist es aber so, dass, wenn man allgemeine „Gesetze“ untersuchen will, die Besonderheiten nur dann von Interesse sind, wenn man mit ihnen die Spanne des Geltungsbereichs der Gesetze ausloten will – ansonsten ist das Vorhandensein von vielen „normalen“ Stücken für das Gesetz an sich viel interessanter.

Vorerst sollen drei Bestandteile der Abscheidungs-Abfolge behandelt werden, die sich als morphologisch besonders interessant ausweisen:

Schlottwitz Roter Felsen mit drei interessanten Erscheinungen: 1: Rauchquarzband, 2: „Fingerband“, 3: Hauptachat (Bildausschnitt etwa 25 cm x 25 cm, kein Eigenfund)

Das Hauptvorkommen, das gleichzeitig das am differenziertesten aufgebaute ist, liegt parallel zur Müglitz im Gebiet zwischen Trebnitzbach-Mündung in Oberschlottwitz und Schlottwitzgrundbach-Mündung in Niederschlottwitz, wozu auch die beiden berühmtesten Schlottwitzer Achatfundstellen, nämlich die vom „Roten Felsen“ und die vom „Königsfelsen“, gehören. Der Höhenunterschied zu Cunnersdorf und Berthelsdorf beträgt mehr als 100 m, wobei man oben in Cunnersdorf Lesesteine auf den Feldern findet, „unten“ in Schlottwitz aber „Anstehendes“. Wie kann das sein? Eine Hypothese ist, dass der „Rote Felsen“ kein Original-Entstehungspunkt ist, sondern ein verkieselter Hohlraum, in den die Achatverkleidung der Spalte gestürzt ist und verbacken wurde. Das erklärt die Trümmerung von Riesen bis zu kleinen Splittern (Idee von Gert Müller übernommen). Eine von der Fund-Höhe abhängige Färbung der Stücke (besonders im Chalcedonband „Fingerband“, in den Amethysten und im Achat selbst bis hin zur teilweisen Kaolinisierung letzterer) unterstützen diese Hypothese.

Der Gang mit den meisten unverkennbaren Fundstücken entlang der Entwässerung der Alt- und Neuelbe bis weit hinter Riesa ist der „Rote Felsen„. Deshalb wird er hier els erster behandelt.

Sehr oberflächliche Kurzbeschreibung des Bandaufbaus von unten nach oben:

Die drei „Kringel“ hier schon einmal kurz behandelt:

Besonderheit 1: Das „Rauchquarzband„, das zwischen den beiden fliederfarbenen Amethystbändern liegt, hat die geringste Schwankungsbreite (seiner Dicke) von allen Band-Anteilen in Schlottwitz. Es ist sogar bei recht konfus wirkenden Amethystbruchstücken aus der Müglitz ein sicheres Differentialmerkmal für die Schlottwitzer Herkunft. Seine konstante Breite könnte ein Hinweis auf eine längerfristige Bildungspause des Bandes sein (Idee von Peter Adolphi übernommen: lokale Bildungsbedingungen waren deshalb ohne Belang für die Dicke).

RQ-Doppelecke ganz unten 22 x 19

Riese mit deutlichem RQ-Band und schönem breitem Hauptachat-Trümmer 25 x 22

RQ-Band zwischen sehr blassen Amethyst-Bändern, Fingerband schön gebuchtet 14 x 12

RQ-Band sehr schräg angeschnitten, dunkle Kappen gut zu sehen

RQ-Band als klarer Hinweis für Zuordnung 12 x 8


Besonderheit 2: Das „Fingerband„, dessen Chalcedon von glasklar über grünlich bis fast schwarz (Cunnersdorf) gefärbt sein kann und herrliche strauchartige „Silikongewächse“ enthält, die wie Pseudomorphosen wirken. (Leider sind auch mit Röntgen-Fluoreszenz-Analyse keine Hinweise auf ihren Ursprung zu finden.) Unterm Mikroskop erkennt man oft einen inneren Längs-„Faden“, auf den kugelförmige Gebilde wie aufgefädelt sind. Manchmal haben die Kugeln einen farbigen Kern, der sogar blutrot sein kann. Es ist das variabelste Band der Abfolge und zeigt die stärksten Unsymmetrien bei gespiegelten Fundstücken, was auf eine Schwerkraftabhängigkeit hinweisen könnte.

Krasse Unsymmetrie des „Fingerbandes“: Breite, Farbe, Struktur (eigener Müglitzfund, 15 cm)

Weitere Bilder zum Fingerband:

Fingerband-Kugel-Schläuche

Fingerband-Strahlen

Fingerband: Polierte Austrittspunkte der Strahlen

Fingerband: Einzelkugel mit Füllung


Besonderheit 3: Der „Hauptachat“ kann zwischen 2 cm und 30 cm Breite schwanken und ist im letztern Fall sehr fein gegliedert und kommt dann meist nicht direkt vom Roten Felsen, sondern von etwas weiter nördlich. (Die ortsansässigen Spezialisten können das auf 10 m genau angeben…) Dieser Hauptachat ist an manchen lokalen Fundstellen unregelmäßig durch klare Quarzkristallschichten unterbrochen und zeigt sehr unterschiedliche Färbungen: Fleischrot, Grün, Grau, Rosa, Hellrot mit allen Übergängen und Nachbarschaften. Der Kontrast zum dunklen Amethyst oder hellen Quarz oder Rosabaryt macht die Stücke auch für Laien attraktiv.

Klitzekleine Auswahl aus meiner Sammlung zu den Farben und Strukturen:

14 x 7

22 x 28

39 x 12

6 x 4

30 x 18

20 x 19

25 x 13

18 x 13

Müglitzfund bei Weesenstein Sommer 2013: Perfekt reproduzierte Ecke. Warum änderrt sich der Winkel nicht??? 8 x 6

14 x 8

Liesegang

12 x 9


Aus genetischer Sicht sind die beiden letzten Bilder am interessantesten: Das Detailbild zeigt in den späteren („glasigen“) Schichten des Hauptachats eine Streifenstruktur, die fast senkrecht zur Achat-Schichtung steht. Man kann sie als „Liesegang-Struktur“ deuten, das heißt, sie ist durch einen über die Konzentration doppelt rückgekoppelten Diffusionsprozess entstanden, bei dem sich eine periodisch angeordnete Anreicherung einstellen kann, wenn die Ströme nicht nur vom Gradienten der Konzentration, sondern auch von der Konzentration selbst abhägig sind.

Eine 1000-Teilchen-Modellierung zeigt das für einen anisotropen Diffusionskoeffizienten (Anisotropie durch Achat-Mirkostruktur senkrecht zur Schichtung):

Schon nach 205 Schritten ist die geordnete Umordnung zu einer streifigen Struktur zu erkennen, wenn die Diffusion anisotrop und konzentrationsabhängig abläuft.

Man muss aufpassen: Selbst bei Wikipedia werden Bilder gezeigt, die Liesegangsche „Ringe“ darstellen sollen, aber auch durch geschickte Anschnitte einer leicht gewölbten Schichtung enstehen können. Sicher ist man nur, wenn man beim 2D-Schnitt durch ein geschichtetes 3D-Volumen beides gleichzeitig sieht: (Ursprüngliche) Schichtung UND (nachträgliche) zweite Strukturierung. Und zum anderen sind „Liesegang-Streifen“ (ich plädiere gegen die Formulierung „Ringe“, weil diese konzentrische Anordnung lediglich ein geometrischer Sonderfall aus den punktförmigen Anfangsbedingungen des Versuchsaufbaus ist) IMMER wegen ihrer begrenzten lateralen Korrelation mit Versetzungen versehen.

Unabhängig von den Liesegang-Streifen sind aber sehr häufig die Hämatit-Plättchen in klarem oder weißem Chalcedon neben roten Achatbändern zu sehen (nicht nur in Schlottwitz, sondern weltweit, so auch ganz typisch in Sankt Egidien oder Waldhambach).

Schlottwitzer Hauptachat in heller Version mit Hämatit in den Rissen und in vielen kleinen Pünktchen 8 x 6

Achat aus Waldhambach mit Hämatit-Pünktchen

Achat aus St. Egidien mit Hämatit-Pünktchen 23 x 15

Detail aus St. Egidien


Der „Königsfelsen“ liefert die zweitmeisten Fundstücke, und auch dort ist eine Trümmerung zwarnicht häufig, aber doch oft zu erkennen. (Auch hier weiß man bei Müglitzfunden nicht, ob es ein durch mehrfachen Bruch wieder vereinzelter Trümmer ist oder ein „echtes“ Gangstück. Da in Sachsen alle Felsen unter Schutz stehen, kann man am Ursprungsort nicht herumhämmern!)

Als typische Gang-Bestandteile treten wieder zwei unterschiedliche Achate auf und daneben auch Amethyst, der aber längst nicht so viele Schichten ergibt wie am „Roten Felsen“, dafür aber stärker mit der Umgebung kontrastiert. Der Hauptachat ist manchmal farblich zweigeteilt, entsprechend den Oxidationsstufen des Eisens: Grasgrün und fleischrot. Der häufige Baryt ist manchmal von Achat umrandet und in unterschiedlicher Stärke durch Hämatit rosa gefärbt. (Spannend sind dann die seltenen Achte, die einen Übergang zwischen beiden Typen darstellen und zeigen, dass die beiden Gänge nicht völlig voneinander getrennt entstanden sind.) Risse in Stücken vom Königsfelsen sind oft rotbraun von Hämatit und stören den „Vitrinen-Schauwert“, obwohl sie genetisch besonders interessant sind.

Hier eine kleine Auswahl:

Das Kopfstück eines 20-kg-Batzens, den ich unterhalb von Mühlbach in der Müglitz fand. (13 x 8)

Perimorphose als „Flamme“ 14 x 12

Schöne Perimorphose

Beide Achattypen nebeneinander 28 x 26

Perimorphosen neben einem Großtrümmerstück

Ein gemugeltes Stück, bei dem ich den Amethyst erhalten wollte. 25 x 16

Beide Achattypen nebeneinander 24 x 22

Detail 1: Hauptachat, hier der obere von beiden (?!)

Detail 2: Hauptachat

Detail 3: Nebenachat

Interessante Farbvarianrte: Grün überwiegt 26 x 18

Schöne Perimorphose 8 x 7

Getrümmertes Stück 14 x 9

Hauptachat-Band sehr ungestört 20 x 13

Nebenachat ganz allein 9 x 6


Die Experten des Schlottwitzer Ganges können ein abgerolltes Fundstück – weitab im Fluss gefunden – bis auf 10 m genau dem Entstehungsort zuordnen, indem sie die Breiten der einzelnen Bandbestandteile vergleichen. Sie haben ihre Detailkenntnis aus der jahrzehntelangen Beobachtung von Baustellen, bei denen die Gänge angeschnitten worden sind. Wir Laien müssen darauf warten, dass die Talsperrenverwaltung Fehler macht und somit reißendes Müglitzwasser für umordnende Unordnung sorgen kann…

Hier ein paar abweichende Bilder der „kleinen“ Nebengänge:

Seitengang des Neumühlenganges

Seitengang Königsfelsen

Nähe des ehemaligen Stollens 45 x 27

Nähe Roter Felsen 40 x 25

Nähe Roter Felsen 16 x 16

Prächtig entfärbter Hauptachat 18 x 15

Nähe Königsfelsen 33 x 28

Unklar 18 x 16

Königsfelsen Seitengang

Nähe Königsfelsen

Nähe Roter felsen

Nähe Königsfelsen


Zum Abschluss der Nebengänge noch ein Riesentrümmer aus der Gegend der Neumühle:

40 x 31

Wenn man von Schlottwitz spricht, darf man die Amethyste nicht vergessen. Sie sind Bestandteil der Gesamtabfolge, wobei man mindestens sechs Generationen unterscheiden kann. Manchmal kommen sie auch einzeln vor, wenn die Bedingungen für die Achatbildung nicht gegeben waren oder wenn einfach nur ein Teilstück des Gesamtganges bei der Geröllbildung übrig geblieben ist. Hier eine lose und unkommentierte Auswahl der trotz hohen Wiedererkennungsgrades grandiosen Vielfalt:


Wer sich für strukturelle Besonderheiten, wie zum Beispiel verheilte Risse, interessiert, sei auf den Abschnitt 2.5.1.1 „Rissfüllungen in Achatgängen“ verwiesen, wo ein Zusammenhang zu zeitlichen Aspekten der Achat-Genese im OEG erkennbar wird.

Weiterführende Seiten

Kommentare

michael schwarzer am Sonntag, 20. Oktober 2019:

Leider bin ich erst heute auf Deine Ausführungen gestoßen . Praktisch 2 Jahre zu spät. Zu den fachlichen Ausführungen kann ich nichts sagen. Da bin ich nicht kompetent genug. Nur eine kleine nebensächliche Korrektur. Der große Amethyst (25 x 25 cm) stammte vom „Roten Felsen“ praktisch unter der Eisenbahn Prellwand. Am nördl. Anfang gewonnen. Besitze noch eins mit leicht gebogenen Bänder. Sind Eigenfunde und über einen Mineralienhändler weitergereicht.

Joachim Adolphi am Sonntag, 20. Oktober 2019:

Danke, Michael, für die interessante Korrektur!
Ich habe mein Stück – eine Scheibe – von einem Mineralienhändler erworben. Die glatte Außenkante ließ mich vermuten, dass es schon ein Stück gekullert sein müsste. Aber schon die Nähe zur Oberfläche lässt auch schon innerhalb des Anstehenden die Risse glatter auswittern, als man vermuten mag.
Nochmals herzlichen Dank!
J. Adolphi

Pedro Skerka am Freitag, 30. Oktober 2020:

Hallo,
ich bin in der FG Mineralogie in Radebeul.
Ich habe persönlich schon als Kind an den Trümmerachaten einen Narren gefressen.
Vielleicht klappts, bei Euch wiedermal ein schönes Stück zu erstehen.
Glück auf und liebe Grüße von
Pedro.

Andreas Ständer am Samstag, 15. Mai 2021:

Guten Tag Herr Adolphi,

für Ihre überaus fein recherchierte Darstellung aller Bildungsphasen, mit gut hinterlegten Beispielfotos „unserer Schlottwitzer“, danke ich Ihnen sehr. Es macht jetzt wieder richtig Lust schöne Stücke aufzuspüren, fernab von „Angesagten“ Achaten aus aller Welt. Etwas spät habe ich Ihre Ausführungen im Netz gefunden, mehrfach gelesen und abgespeichert. Mal sehen was ich in nächster Zeit trotz „Covid“ erstehen werde.
Mit freundlichem Gruß

Andreas Ständer

Tobias am Donnerstag, 18. Januar 2024:

Sehr geehrter Herr Adolphi,
ich hatte viel Freude am Erkunden Ihrer Beiträge zum Thema Achate im OEG.
Ihre Fundort- und Genesebschreibungen inklusive ihrer angebotenen Theorien waren für mich eine wertvolle Resource – vielen Dank!

Seit ein Freund mich letztes Jahr an das Thema herangeführ hat, habe ich etliche schöne Funde in der Müglitz und auf Äckern bei Halsbach und bei Hartmannsdorf-Reichenau gemacht.

Der kürzlicher Fund eines 6kg Brockens vom roten Felsens in der Müglitz wirft bei mir die Frage auf, wie ich das Stück am Besten in Szene setzen könnte. In diesem Zusammenhang wollte ich Sie fragen, wie sie Ihr obig gezeigtes Prachtstück „gemuggelt“ haben.

Glück auf!
Tobias Nicolaus

Joachim Adolphi am Donnerstag, 18. Januar 2024:

Lieber Herr Nicolaus,

auf der Seite „Schlottwitz“ ist außer dem Königsfelsen (25 x 16, 2 Bilder) kein Stück gemuggelt (höchstens mal ums Eck geschliffen), aber ich kann nicht erkennen, welches Sie genau meinen.

Beim Muggeln muss man frei Hand arbeiten, was sehr beschwerlich ist und einige Übung verlangt. Man kann das Schleifmittel mit festem Papier per Hand bewegen oder einen weichen Klett-Teller nutzen, bei dem dann allerdings das Diamant-Pad sehr ungleichmäßig (nur am Rand) verbraucht wird, was ins Geld geht… Man sollte das also nur bei Prachtstücken tun.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß und auch viel Erfolg bei dieser zeitaufwändigen Arbeit. Man lernt den Stein dabei richtig lieben oder auch hassen, je nach Erfolg. Kennen tut man ihn dann auf jeden Fall in- und auswendig!

Liebe Grüße aus DD

JA

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