Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


Transportprozesse

Jeder weiß, was „Transport“ ist: Etwas wird von A nach B bewegt.

Unter Transportprozess versteht man einen allgemeinen Vorgang, bei dem ein „Strom“ von Objekten die Wirkung einer „treibenden Kraft“ als Ursache ist.

Man kann den Gedanken natürlich auch umkehren, wenn längs des Transportweges unterschiedliche Bedingungen herrschen: Dann kann man formal den Strom als Ursache und den „Stau“ als Wirkung sehen.

Eigentlich kennt das jeder aus der Schule vom Ohmschen Gesetz über den elektrischen Strom, aber so wird es nicht gelehrt. Später wird dann gerätetechnisch von Stromeinspeisung und Konstantstromquelle gesprochen, aber da haben längst Gewohnheiten Platz gegriffen.

Fragt doch mal einen Elektrotechniker über die Ursache eines Staus auf der Autobahn, bei dem man nach dem Durchfahren/Durchstehen „keinen Grund“ erkannt hat! Hat er eine Antwort?

Der Physiker kennt ihn auch, den Kirchhoffschen Knotensatz: Die Summe der Ströme im Knoten ist Null, das heißt, dass die Summe der zufließenden Ströme gleich der Summe der abfließenden ist. Das gilt natürlich nur für Knoten ohne Speicherkapazität. Mit Speicher muss man den Satz erweitern: Die Differenz zwischen Zu- und Abstrom ist die zeitliche Änderung der Speicherbeladung.

Entsteht ein Stau, ist der Zustrom größer als der Abstrom. Wie kann das ohne „Grund“ auf der Autobahn passieren? Es ist ganz einfach:

Fahren viele unterhalb des Sicherheitsabstands (gefühlt ist es aber trotzdem sicher, weil es alle tun) in einen Stau und unter Einhaltung des Sicherheitsabstands (was man nach dem Stau beim Beschleunigen meist automatisch macht) heraus, so vergrößert sich der Stau (Keimbildung zum Beispiel eine Schreckreaktion – Bremsen – eines einzigen Fahrers beim Spurwechsel). Es gibt KEINE CHANCE der Stauauflösung, es sei denn, der Zustrom lässt aus irgendwelchen Gründen (Ende der Rush Hour) nach. (Zur Psychologie des Sicherheitsabstandes vergleiche anderen Abschnitt!)

Ergänzung für Feinschmecker: Selbst mit der Methode „Sicherheitsabstand ist halber Tacho“ erhält man keine echte Konstanz der Durchlassfähigkeit in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, weil sich die Geschwindigkeit nur dann wegkürzt, wenn die Eigenlänge der Fahrzeuge Null ist, was selten zutrifft. Deshalb steigt bei dieser Regel die Durchlassfähigkeit mit der Geschwindigkeit beziehungsweise sinkt mit der Verminderung der Geschwindigkeit, was man spätestens beim Schritt-Tempo spürt, selbst wenn man die Stoßstange des Vordermannes berühren würde. (Gilt auch alles für Frauen, he…)

Für jede Spur gilt:

(1) Fahrzeuge/Zeit = mittlere Geschwindigkeit/mittlerer Frontstoßstangenabstand

n/t = vm/ams

(2) mittlerer Frontstoßstangenabstand = mittlerer Fahrzeugabstand + mittlere Fahrzeuglänge

ams = am + lm

Mit der Regel

(3) mittlerer Fahrzeugabstand = mittlere Geschwindigkeit/2 mal Taktzeit

am = vm/2 * tt

(die „Taktzeit“ ist eine aus Dimensionsgründen erforderliche Hilfsgröße, die sich aus einem Beispiel berechnen lässt:

(3a) 36 m = 72/2 km/h  * tt

(3b) tt = 36*2/72 h*m/km = 0,001 h = 3,6 s)

ergibt sich:

(4) n/t = vm / (vm/2 * tt + lm) = 1 / (tt/2 + lm/vm)

Eine solche Funktion mit der Variablen im Nenner eines Summanden im Nenner sieht dann so aus, dass sie gegen einen Grenzwert strebt, für kleine Werte aber starke Abhängigkeit zeigt:

Durchlassfähigkeit einer Spur in Fahrzeugen pro Stunde als Funktion der mittleren Geschwindigkeit in km/h bei einem Sicherheitsabstand „halber Tacho“ und 5 m Fahrzeuglänge

Kopfrechnen als Plausibilitäts-Prüfung: Mit 72 km/h hat man 20 m/s drauf. Mit 5 m Fahrzeuglänge und 36 m Abstand zum Vordermann („halber Tacho“) sind das 41 m pro Fahrzeug, also etwa 0,5 Fahrzeuge pro Sekunde oder 1800 pro Stunde. Diagramm kann also stimmen.

Selbst bei kompletter Einhaltung des Sicherheitsabstandes (das ist die günstigste Annahme!) vor und hinter dem Stau wächst dieser pro Stunde um 400 Fahrzeuge, wenn von 150 km/h auf 30 km/h abgebremst werden muss (bei 30 km/h also um etwa 400 mal (15+5)m = 8 km, bei nur 5 m Abstand immerhin noch um 4 km, und selbst Stoßstange an Stoßstange auch noch um 2 km!!)! Wer soll das wieder auflösen??

Einschub zur Theorie:

Mit der Sichtweise der Thermodynamik kann man den Stau als Abkühlung eines überkritischen Zustands (hohe Geschwindigkeit und zu kleiner Abstand) unter den kritischen Punkt eines Gas-Flüssigkeits-Systems betrachten, der zu einer Phasengrenze, also einer Aufspaltung in Flüssigkeit (Stau mit festem kleinen Abstand und kleiner Geschwindigkeit) und Gas (nach dem Stau mit freiem Abstand über dem Sicherheitsabstand und hoher Geschwindigkeit), führt (kleiner Abstand entspricht hohem Druck, hohe Geschindigkeit hoher Temperatur).

Beim elektrischen Gleichstrom in der Reihenschaltung gibt es einen „Stau“ vor großen Widerständen, was sich in einem höheren Spannungsabfall über diesem (im Vergleich mit den kleineren Widerständen davor und danach) zeigt, wie es sich auch bei einem Fluss im Hochwasser an den Brücken zeigt, wo der Höhenverlust (gegen Normalnull z.B.) auf den 10 m unter der Brücke höher ist als bei anderen 10 m ohne Brücke.

Und wie ist das bei den Transportprozessen, die einen Achat wachsen lassen?

Es wird also immer darauf ankommen, „Quellen“ und „Senken“ und ihre Stärken sowie „Leitfähigkeiten“ oder „Widerstände“ und ihre Stärken zu beachten sowie die Geometrie aller Teile im Auge zu behalten. Bei einem Stromkreis gibt es konkrete Knoten, ansonsten geht es geradeaus. Bei allgemeinen Transportprozessen wie der Diffusion aber gibt es unterschiedliche Dimensionszahlen von Quellen, Senken und Stromgebieten, richtungsabhängige („anisotrope“) Größen und unter Umständen kompliziert strukturierte Räume („Korngrenzen“) und verzwickte Rückkopplungen zum Beispiel über konzentrationsabhängige Leitfähigkeiten und Ortsveränderungen der Quellen und Senken durch Verschiebung der Grenzflächen durch Wachstum und Auflösung.

Und: Bei der Konzentration als im Raum verteilter Größe handelt es sich ja eigentlich um im Raum verteilte Speicherbelegung. Dann heißt der Knotensatz jetzt, wenn der Strom selbst von der ersten räumlichen Ableitung der Konzentration abhängt: Die zeitliche Änderung (Ableitung) der Konzentration an einem Ort (das ist die Geschwindigkeit der Speicherbefüllung) ist proportional der zweiten räumlichen Ableitung der Konzentration am selben Ort (das ist die Differenz der Ströme, also der ersten Ableitungen).

Beachte: Es ist dann wichtig, klare Begriffe zu verwenden, das heißt deutlich zu unterscheiden zwischen

Die Menge kann eine Teilchenzahl, elektrische Ladung, Masse, Wärmemenge und weiß der Deibel was sein.

Außerdem können auch die Materialeigenschaften anisotrop sein und konzentrationsabhängig (auch ohne Phasenübergang!), so dass sich Akkumulationsgebiete rhythmisch ergeben können:

Modellierung (205 Schritte) einer anisotropen und konzentrationsabhängigen Diffusion: Ganz normale Fluktuationen führen später zu plättchenartigen Anhäufungen

Wenn das keine Herausforderung darstellen soll, was dann??? Aber vorher sind einfachere Aufgaben zu lösen, zum Einarbeiten sozusagen.

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