Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


4.1 Desafinado

Wir wollen nur ein paar einzelne Stellen besprechen, nicht das gesamte Stück.

1. Gleich im dritten Takt sieht es aus, als ob wir in die untere Terzverwandte (Des zu F) gelangt wären*. Da das aber nur ein Durchgang sein soll, sind f und des als Septime und verminderte Quinte in G installiert, um dann über g und C7 (Stufen-Gang II-V-I) scheinbar wieder zurück zur Tonika gelangen zu können. Aber Pustekuchen: Wir landen in D79- (oder D7b9), also der Dominante zur Stufe II. Von der Stufe II (g), die nun umgedeutet wird als Subdominante zu ihrer bisherigen Dominante (D7) gelangen wir über die neue Dominante A7 zur neuen Tonika D (als Zwischenschritt kenntlich über den Septakkord D7) , von der wir über D7b9 (es) und G7b9 (d) sowie Ges7+(des) chromatisch absteigen zur Original-Tonika F (c).

2. In der Bridge (B-Teil) gibt es den eleganten Schwung von der Dominante E7 auf A direkt zur unteren Terzverwandten C. Damit wird das Bridge-Thema eine kleine Terz höher wiederholt, worauf es nach zwei chromatischen Gängen (C(c) -> Ciso(cis) -> d7(d) -> G7(d) und dann g7(g) -> Fis0(fis) -> G7(f) -> C7(e) -> F(f)) zurück zur Haupt-Tonika und damit zum A-Teil-Beginn führt.

3. Der scheinbare Neubeginn wird aber zu einem echten C-Teil (Schluss-Effekte) gewandelt, indem einerseits eine neue Melodieführung von oben her wiederholt chromatisch ausholt (d‘-des‘-c‘-h-b-a -> c‘-h-b-a), um dann über einen weiteren Abstieg zum Schluss-Effekt zu führen, wo die Terz-Verwandtschaft von Duodominante und Duosubdominante auf dem gleichen Ton (f ist erst Septime der Duodominante, dann None der Duosubdominante) eindrucksvoll ausgekostet und rhythmisch untermalt wird, bevor ein fast belangslos erscheinender, aber versöhnlicher II-V-I-Abstieg das Stück beendet.

Man kann dann die Überleitung zur zweiten Strophe getrost durch die chromatische Rückung von F zu Fis7+ (=F#maj) und zurück zu F gestalten, weil dabei das f stehen bleibt, was ganz dem Stile von Jobim entspräche…

ÜBUNGSAUFGABE

Rücke NICHT zurück, sondern bleibe nach F-Dur in Fis-Dur und mache dir dort alle Begleit-Harmonien deutlich!

*Der Sept-Akkord mit verminderter Quinte ( 7b5 oder 7-5) ist von Natur aus zweideutig, weil er aus zwei gleichen Stapeln besteht: Je aus Großer Terz und Großer Sekunde, zusammen je ein Tritonus. Der Begleit-Akkord im dritten Takt kann also eigentlich sowohl als G7-5 als auch als Des7-5 aufgefasst werden. Erst der unmittelbare Zusammenhang mit der harmonischen Entwicklung lässt eine der Varianten als favorisiert erscheinen.

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