Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


Vertiefung der Exponentialfunktion

Kann man den Zusammenhang von täglich Infizierten und gesamt Infizierten und Genesenen verstehen?

Man muss sich noch einmal vergegenwärtigen, dass die gesamten Infizierten die Summe der täglich Infizierten sind, oder, dass die täglich Infizierten die tägliche Differenz der gesamten Infizierten sind.

Eleganter ausgedrückt handelt es sich um Integrieren (stetiges Summieren) und Differenzieren (stetiges Subtrahieren).

Macht man den Ansatz, dass jeder Infizierte „im Mittel“ R (Reproduktionszahl) weitere Menschen in der Zeit to (Zeit der eigenen Fähigkeit, andere anzustecken) infizieren kann, so kommen wir bei einer Anfangszahl von n(0) Infizierten auf die Zahl n(to) der neu Infizierten in einer Periode t0 über den Zusammenhang

n(to) = n(0) * R

Nach einer zweiten Periode der Länge to ergibt sich:

n(2*to) = n(t0) * R = n(0) * R *R = n(0) * R²

oder für einen beliebigen Zeitraum t

n(t) = n(0) * R^(t/to)

Hier sind die „alten“ Infizierten schon wieder gesund, wir haben also die Zahlen der aktuell Infizierten vor uns, die Zahl der Kranken.

Wollten wir die insgesamt einmal Infizierten berechnen, müssen wir diejenigen, die die anderen angesteckt haben, auch mit berücksichtigen.

Dann lautet die Formel, wenn wir für die insgesamt Infitzierten N als Zahl nehmen, nach einer Periode:

N(to) = N(0) + N(0)* R = N(0) * (1+R)

In der nächsten Periode sind aber nicht mehr alle ansteckend, sondern nur die Kranken der letzten Periode:

N(2*to) = N(to) * (1+R) = N(0) * (1+R)*(1+R) = N(0) * (1+R)²

N(t) = N(0) * (1+R)^(t/t0)

Das ist wieder exponentielles Wachstum mit höherer Basis. Das klingt gut, denn selbst bei konstantem Krankenstand (R=1) wächst die Anzahl der gesamt Infizierten.

Man könnte es noch viel komplizierter ansetzen, ohne aber wirklich schlauer zu werden, nämlich mit zwei unterscheidlichen Variablen im Zeitbezug:

– Periode der Krankheitsdauer vom Beginn der Ansteckungsfähigkeit bis zur Genesung (nicht mehr ansteckend)

– Periode von der Ansteckung bis zur Ansteckungsfähigkleit (die kürzer als die so genannte Inkubationszeit, die Zeit von der Ansteckung bis zum Krankheitsausbruch, ist, die wiederum kürzer als die Zeit der Ansteckungsfähigkeit selber ist)

Das wäre aber zu umständlich und brächte keine wirklich neuen Erkenntnisse, weil ja beides mit der Zeit variiert und schon im R-Wert steckt.

Beide obigen Ansätze für n(t) und für N(t) gehen stillschweigend davon aus, dass die Möglichkeit, andere zu infizieren, in der gesamten betrachteten Gesellschaft unverändert bleibt.

In Wirklichkeit sinkt aber die Zahl der Infizierungs-Möglichkeiten dadurch, dass einige andere schon immun geworden sind. Die Wahrscheinlichkeit sinkt also, andere anzustecken („Herden-Immunität“). Dieser Prozess ist dort schon mit Beispielzahlen vorgerechnet worden.

 

Anhang:

Den Mathematiker interessiert nun aber, ob unsere Ansätze einer strengen Kritik standhalten, nämlich der Probe, ob n(t) tatsächlich das Differential von N(t) ist?

Machen wir es also formal:

d/dt (N(t)) = d/dt (No*(1+R)^(t/to)) = N(0) * (1+R)^(t/to) * ln(1+R)/to

N(0) = n(0) darf als Start-Identität angenommen werden.

Dann wäre

n(t) = n(o)*(1+R)^(t/t0)*ln(1+R)/to = n(o)*R^(t/t0)

= n(0)*(1+R)^(t/to*log((1*R)R))

was sich auch numerisch leicht überprüfen lässt.