2.8.1.1 Symmetrie-Überlegungen zu Trajektorien
Kann man mit dem Zaubersatz der Physiker:
„Aus Symmetrie-Gründen folgt,…“
hier schon einen Blumentopf gewinnen, wenn es um Trajektorien um Ellipsoide geht?
Versuchen wir es:
1. Der Raum sei homogen und isotrop.
Es gibt also, kurz gesagt, keine Vorzugsrichtungen und keine Vorzugsstellen für irgendwelche Größen.
Das heißt unter anderem, dass
- eine Richtungsumkehr einer Bewegung zu einem spiegelsymmetrischen „Bild“ führt, was auch zeitlich gesehen einer (Zeit-)Spiegelung entspricht, solange alle Ursachen der Bewegung zeitunabhängig sind
- Gravitation
- Trägheit
- Reibung
- eine Verlegung der Situation in einen anderen, aber symmetrisch gleichwertigen Punkt zum gleichen „Bild“ führt
- bei einem späteren gleichen Durchgang durch einen symmetrisch gleichwertigen Punkt eine „Wiederholung“ des „Bildes“ stattfindet
2. Die Gravitation sei nicht abschirmbar.
Das heißt, dass man jeglicher Masse Wirkung (also die Schwerkraft) superponieren kann.
Das heißt im Zusammenspiel mit 1. auch, das jeder Massepunkt im R3 eine richtungsunabhängige und auf den Massepunkt gerichtete Wirkung (Kraft) auf eine andere Masse hat, die mit der 2. Potenz des Abstandes sinkt (im reinen R2 mit der 1. Potenz), weil ihre Wirkungsfläche mit derselben Potenz steigt und die Gesamtwirkung konstant sein muss. (Beliebigkeit der Wahl der Integration über eine geschlossene Integrationsfläche.)
Das heißt weiterhin, dass ohne mechanische Energiezufuhr oder Energieabfuhr (also ohne Reibung) die mechanische Gesamtenergie nur aus zwei Teilen, nämlich der kinetischen und der potentiellen (ergibt sich aus dem Weg-Integral der gravitativen Kraftwirkung) besteht und sich beide im Austausch befinden. Gleiche Abstände zur Kraftquelle bedeuten somit gleiche Energie-Anteile, da die Gesamtenergie erhalten bleibt.
3. Der Drehimpuls bleibe erhalten.
Da alle Kräfte einer Punktmasse auf diese gerichtet sind, können sie kein Drehmoment auf eine Achse, die durch diese Punktmasse geht, ausüben. Deshalb bleibt der Drehimpuls bezüglich dieser Achse erhalten. Die Bahn ist somit eben.
Außerdem gehört dann zu jedem Wertepaar von Abstand und Bahn-Winkel zum Fahrstrahl ein eindeutiger Geschwindigkeitsbetrag. Aus der Symmetrie des Kreuzprodukts über den Sinus des Winkels und der Stetigkeit der Bahnbewegung und der Zeitspiegelung folgt, dass die Bahn spiegelsymmetrisch zu einer Symmetrieachse sein muss, die durch die Punktmasse und einen Punkt geht, an welchem die Bahn senkrecht zum Fahrstrahl verläuft.
Diese Bahn ist eine Rosette:
Einer der Spezialfälle dieser allgemeinen Rosette ist also eine gravitative Ellipse, wenn nämlich die „Brennpunkteigenschaft“ der Ellipse „zufällig“ wirkt (Potenzen von Kraftgesetz und Trägheitsgesetz, hier Fliehkraft, sind nach 1. dem Betrag nach identisch 2). Wie schon ananderer Stelle vermerkt, ist diese Ellipse aber eine physikalische, denn sie hat nur eine physikalische Symmetrielinie (eigentlich zwei zusammenfallende, nämlich die beiden durch Periapsis bzw. Apoapsis und Kraftzentrum im Brennpunkt), nämlich in der Großen Halbachse a, die immer auch das Kraftzentrum enthält (wenn man also Kraft und Geschwindigkeit mit berücksichtigt), obwohl sie rein geometrisch zwei hat, nämlich auch in der Kleinen Halbachse b noch eine, die aber physikalisch belanglos ist, wie erstaunlicherweise auch schon im T^2 – a^3 – Satz von Kepler richtig hinterlegt worden ist.
Eine weitere Ausnahme bildet die elastische Ellipse von F prop r^+1, wo sich jede Halbachse physikalisch aus der entsprechenden und voneinander unabhängigen Amplitude ergibt. Hier stehen beide Symmetrieachsen auch physikalisch senkrecht zueinander (letztes Bild in der Serie oben).
Ein speziellerer Spezialfall dieser Rosette ist ein von der Potenz des Kraftgesetzes unabhängig möglicher Kreis (kinetische und potentielle Energie sind einzeln konstant).
4. Die gravitative Zentral-Punktmasse werde durch ein rotationssymmetrisches Ellipsoid ersetzt.
Dann gibt es zwar eine Vorzugsachse, aber nur um sie herum eine nur ebene Rotationssymmetrie. Die Kugelsymmetrie ist also aufgehoben.
Besonderheit der Kugelsymmetrie:
Liegen die Quellen der Schwerkraft selbst symmetrisch auf einer Kugelfläche, können sie die Kugelsymmetrie der Punktmasse nicht zerstören.
Abweichungen durch die Ellipsoid-Form der (homogenen) Zentralmasse:
Wegen des Erfordernisses der Konstanz des Integrals über eine geschlossene Fläche können in gleichen Abständen keine gleichen Kräfte mehr vorliegen, sowie man die Symmetrieebene oder parallel zu ihr liegende Ebenen verlässt.
Bahnkrümmung und Kraft passen für die Punkte einer ebenen Bahn deshalb nicht mehr so zusammen, dass die „Brennpunkteigenschaft“ einer Ellipse gewahrt wird, obwohl in der Symmetrieebene des Ellipsoids auch weiterhin die Kraftrichtung aufs Zentrum des Ellipsiods gerichtet ist. (Nähme man allerdings den Abstand zum Zentrum weiterhin als Basis für den Exponenten des Kraft-gesetzes, müsste man den Exponenten selbst anpassen! Siehe 2.8.1.0!) Ergebnis ist die Aufhebung des Spezialfalls „Ellipse“ zur Rosette hin.
Weiterhin verändert sich die Richtung der Kraft bei zur Symmetrieebene geneigten Bahnen vom Zentrum des Ellipsoids weg, so dass ein Kreiseleffekt auftritt, der die Bahnachse präzedieren lässt, unabhängig davon, ob es sich um eine kreisnahe Bahn oder eine ellipsennahe (also selbst präzedierende) Rosette handelt. Das ist genau bei der ISS-Bahn der Fall (siehe unter „Numerische Integration“ Beispiel 3)!
5. Die gravitative Zentralmasse sei beliebig geformt.
Es ergeben sich „chaotische“ Bahnen um eine „Kartoffel“, wie sie bei den Asteroiden und streng genommen auch bei der Erde vorliegt. Solche Bahnen sind zwar auch determiniert, aber trotzdem nur näherungsweise durch eine numerische Berechnung mit enorm vielen Daten zu ermitteln.
Der erste Schritt zu solchen Berechnungen geht über eine Teilung der Zentralmasse in zwei Punkt über Stäbe, Ringe, Scheiben, Rotationsellipsoide, Dreiachsellipsoide zu realen Körpern. Schließlich kann auch noch deren Dichte inhomogen werden, was den Raketenlenkern der Kriegstreiber großen Kummer macht.
6. Es seien zwei Punkt-Massen im Spiel, von denen eine nicht mehr – wie bisher stumm vorausgesetzt – gegen die andere vernachlässigbar sei.
Das Koordinatensystem, was jetzt günstig ist, um alle Symmetrien zu nutzen, ist das Schwerpunkt-System, weil in ihm der Gesamt-Impuls verschwindet. Das heißt, die beiden Teil-Impulse sind immer betragsmäßig gleich groß, aber entgengengesetzt gerichtet – solange von außen oder durch eigenen Antrieb kein Zusatzimpuls eingetragen wird.
Das hat auch zur verführerischen Folge, dass die Kraftlinie immer durch den Schwerpunkt geht und jeder Drehimpuls einzeln erhalten bleibt (die Summe ja sowieso). Es gelten also die gleichen Symmetrie-Aussagen wie zur einzelnen winzigen Probemasse im Kraftfeld einer großen Zentralmasse, und es gelten auch die gleichen Schlüsse. („Verführerisch“, weil man glaubt, das sei eine Eigenschaft des Schwerpunkts selbst, denn den hat man ja auch im Drei-Körper-Problem oder bei einer nicht kugelsymmetrischen Masseverteilung!)
Die beiden Bahnen der beiden Massen (hier Masseverhältnis 4:1 gewählt) sind also „ähnlich“ im besten Sinne der Geometrie, bei Punkt- oder Kugelmassen und beim Kraftexponenten -2 also zwei Ellipsen, die sich einen Brennpunkt (den gemeinsamen Schwerpunkt) teilen. Sind beide Massen gleich groß, haben wir Kongruenz der Trajektorien:
7. Es seien drei Punkt-Massen im Spiel.
Es gibt im allgemeinen Fall keinerlei Symmetrie mehr außer der Tatsache, dass ihre Geschwindigkeiten zufällig in einer einzigen gemeinsamen Ebene liegen. Dann ist es sogar möglich, dass sie ein eng begrenzt stabiles Lagrange-System bilden (siehe dort: 2.8.4).
8. Es seien drei oder mehr beliebig geformte Massen im Spiel.
Nun hilft nur noch exakte Aufnahme der Anfangs- und der Randbedingungen und numerische Integration. Es können keine allgemeinen Voraussagen mehr getroffen werden.
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