2.11 WETTER: Mischung von flächigen und räumlichen Effekten UND Phasenübergängen
„Wetter!?“
Kann man sich langsam an die Modellierung von Wetter-Phänomenen herantasten? Womit soll man beginnen, welchen Stufenplan sollte man vernünftigerweise verfolgen? Welche Daten soll man einbeziehen? Welche Gesetze liegen dem allen zugrunde?
Machen wir also einen vorsichtigen Plan:
Zuerst vereinfachen wir das Problem durch Reduzierung um eine Dimension:
Wir verfolgen das Geschehen senkrecht zu einer Wetterfront, diskretisieren die Atmosphäre in einer einzige Ebene von Würfeln (Kantenlänge zum Beispiel 1 km), die 20 Würfel hoch und 100 Würfel lang ist. Das sind immerhin 2000 Zellen von je 1 km³.
Was passiert in jeder Zelle und was zwischen den Zellen? Wir werden also Zustände und Ströme beschreiben müssen. (Das passiert nach unterschiedlichenModellen weltweit unter Vernetzung vieler Großrechner. Damit können und wollen wir nicht konkurrieren. Aber ein bißchen Verstehen dieser phänomenalen Komplexität wollen wir schon erreichen…)
1. Ergibt sich, wenn wir (trocken und isotherm) lediglich den Druck berechnen wollen, eine senkrechte Stapelung gemäß der „barometrischen Höhenformel“?
2. Was ändert sich, wenn wir einen adiabatischen Austausch zwischen den Zellen erlauben?
3. Was ändert sich, wenn wir Wasserdampf hinzufügen?
4. Was ändert sich, wenn wir Sonnenstrahlung „erlauben“ (am Boden, in der Luft, an Wolken)?
5. Woher kommt der Wind und was ändert er?
6. Was machen Tag und Nacht?
7. Welchen Einfluss hat ein Bodenrelief und welchen Einfluss hat eine Bodenbeschaffenheit (Wasser, Wald, Feld, Beton, …)
8. Welchen Einfluss haben andere Gase als Sauerstoff und Stickstoff und Wasser?
Man sieht schon, das wird ein unendliches Thema!
Man kann auch ein paar wichtige Überschlagsrechnungen an den Anfang stellen, damit man sich über die Größenordnung der Fragestellung bewusst wird:
a) Was wiegt ein Kubikkilometer Luft unter Bodendruck?
Ein Kubikmeter Luft wiegt rund 1 kg (Dichte bei 20°C 1,204 kg/m³), ein Kubikkilometer Luft also 1 Million Tonnen. Boahhh!
b) Welche Wärmekapazität hat ein Kubikkilometer Luft?
cp = 1,005 kJ/(kg*K) (isobar)
cv = 0,718 kJ/(kg*K) (isochor)
Wir müssen also von etwa 1 Milliarde kJ/K = 1 TJ/K ausgehen.
Bei einer Solarkonstante von 1361 J/(m²*s) kann man bei klarem Himmel für die Breite von Deutschland etwa 1 kW/m² annehmen. Das bedeutet, dass sich der unterste Kubikkilometer Luft bei einem Quadratkilometer Grundfläche mit
dT/dt = (1 Million kW/m²) / (1 Milliarde kJ/K) = 1 mK/s = 3,6 K/h
aufheizen würde (wenn die Erdoberfläche quasi nichts aufnimmt…). Dieser Wert erscheint uns aus der Erfahrung nicht unplausibel!
c) Was passiert bei der Kondensation von 1 Tonne Wasser?
Die Verdunstungswärme (besser: Verdampfungsenthalpie) von Wasser ist
hg = 2257 kJ/kg
Für 1 Tonne (1 m³!) sind das also Hg = 2,257 GJ, die bei der Kondensation frei werden. Diese erwärmen den Kubikkilometer Luft um
2 GJ/(1 TJ/K) = 2 mK.
Es entsteht ein zusätzliches Gasvolumen (Wasserdampf) von etwa 2000 m³.
Für 1000 Tonnen Wasser sind das 2 K!
Es würden etwa 2.000.000 m³ (2 Promille eines Kubikkilometers) Wasserdampf entstehen, also eine absolute Luftfeuchte von etwa 1g/kg. Das entspräche bei 20°C einer relativen Luftfeuchte von etwas weniger als 10%, wäre also immer noch sehr, sehr trocken. (Dabei erhöht sich auch der Druck und es entstehen die für die Bewegung der Luft erforderlichen Kräfte…)
Wir sehen an diesem einfachen Zahlenbeispiel (die wirkliche Luftfeuchte ist in unseren Breiten deutlich höher), wieviel Wasser tatsächlich in der Atmosphäre herumwuseln muss, und warum das bei der hohen IR-Absorption von Wasser eine wesentliche Rolle für das Wärme-Strahlungs-Geschehen in der Atmosphäre spielt. (Und wir erkennen, woher die Wassermassen und die Temperaturschwankungen bei einem Gewitter kommen können…)
Andersherum gedacht: Der Solarwärme in unseren Breiten kann also auf einem Quadratkilometer bei 1GW/km² etwa 1/2,257 = 0,4 t Wasser pro Sekunde verdunsten, also wirklich etwa die oben angenommenen 1000 Tonnen in der Stunde!
Bei 20°C brauchen wir nur 15 g/kg Wasser in der Luft für 100 % relative Feuchte, was die Sonne, ausgehend von absolut trockener Luft, also in 15 Stunden geschafft hätte, wenn sie ordentlich im Mittagspunkt bleiben würde…
(Beachte: Die Atmosphärenschicht, in der wir Wetter erleben, ist dicker als die hier betrachteten 1 km!)
Die umgekehrte Frage, wieviel mm Wasser die Sonne pro Stunde verdunsten kann (wenn sich der Rest des Wassers nicht erwärmen soll, was natürlich sehr grob genähert ist), kann man so beantworten:
1000 W/m² /(2257 kJ/kg) = 0,4 g/(m²*s) = 1,5 kg /(m²*h)
Das entspricht 1,5 mm/h, da die Dichte von Wasser 1 kg/1dm³ beträgt.
(oder 1000 W/m² = 3600 kJ/(m²*h) auf 2257 kJ/kg bezogen…)
Hier haben wir vernachlässigt, dass das Wasser vor dem Verdunsten ja noch auf 100 °C erhitzt werden muss, was angefangen bei 20 °C also 80 K sind, wozu etwa 336 kJ/kg benötigt werden, was gegen die 2257 tatsächlich wenig ist. (Das ist das Interessante und Gefährliche beim Wasser, dass viele thermodynamische Größen anders sind als bei anderen Stoffen, was auf der interessanten Molekülstruktur beruht.)
d) Was passiert bei einem horizontalen Druckunterschied von 1 hPa/km?
Hat die Nachbarzelle 1 hPa mehr, drückt sie auf die „Trennwand“ der Zellen und will diese verschieben. Schreiben wir ihr die Trägheit der Nachbarzelle zu, entsteht eine Beschleunigung von
1 Million m² * 100 N/m² /1 Milliarde kg = 0,1 m/s²
Diese Situation hätten wir in der Wirklichkeit, wenn auf 100 km 100 hPa Druckunterschied vorkommen würden. Das ist in unseren Breiten unwahrscheinlich, aber in tropischen Wirbelstürmen möglich. Aber 10% davon kommen bei uns vor, und das bedeutet, dass nach einer Stunde Wirkung solcher Kräfte ein richtiger Sturm bis Orkan (36 m/s!) entstehen kann. Da das Ganze aber ein Ausgleichsprozess sein kann, wird es nicht jedesmal eine Katastrophe, es sei denn, wir haben die positive Rückkopplung in einer Gewitterzelle (aber die ist nicht 100 km groß…). Dazu später mehr.
Fazit:
Nun ist uns also klar vorläufig schon geworden, warum unser „Wetter“ (selbst bei Windstille!) viel „Bewegungstalent“ entwickeln kann. Wir haben die möglichen Größenordnungen der einzelnen Prozessteile ein wenig ausgelotet.
Mit diesem Wissen machen wir uns nun also an die Aufgabe, ein dynamisches Modell für die unteren 20 km zu erstellen. Klingt sehr, sehr mutig („ambitioniert“…) !
Fortsetzung, dann in den angedeuteten Unterpunkten, folgt bald…
(Tipps oder Leser-Wünsche werden gern entgegen genommen!)
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