Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


2.8.3.0 Was ist eine „Trajektorie“ und wodurch ist sie bestimmt?

Kann man einfach erklären, woraus sich eine Trajektorie ergibt?

Bewegt sich (im einfachsten Fall, also ohne Reibung und ohne eigenen Antrieb) eine Masse in einem Kraftfeld (oder eine an eine Masse gebundene Ladung in einem elektrischen Feld), so wirkt eine ortsabhängige Kraft in bestimmter Stärke und bestimmter Richtung auf diese Masse und verändert damit deren Bewegung.

Das ist alles.

Der Rest ist nur geschicktes Rechnen. Was oben in Worten formuliert worden ist, ist in physikalischer Sprache das Newtonsche Gesetz als Zusammenhang zwischen Kraft und Beschleunigung, beides sind Vektoren.

Der Vektor Beschleunigung verändert den Vektor Geschwindigkeit, und der wiederum verändert den Ortsvektor (das ist der Vektor vom Koordinatenursprung zum Ort der Masse).

Veränderungen werden physikalisch als Differenzen geschrieben und mathematisch zu Differentialen verfeinert. Bleibt man bei den Differenzen, integriert man numerisch, begibt man sich zu den Differentialen, integriert man analytisch, falls das gelingt.

Betrachtet man das Ganze geometrisch, will man „Formen“ von Trajektorien einordnen, also mit geometrisch bekannten Gebilden vergleichen, zum Beispiel mit einem Kreis, einer Ellipse, einer Zykloide, einer Rosette, einer…

Wenn das so ist, ist Differentialgeometrie gefragt, also die Benutzung ihrer typischen Hilfsgrößen wie „Bahn-Tangente“, „Bahn-Krümmung“, evtl. „Bahn-Evolute“ u.a.m.

Die Verknüpfung von Physik und Differentialgeometrie ermöglicht dann die Berechnung der „Trajektorie“, also der Bahn einer Masse in einem Feld. Hierzu sollte man einigermaßen sicher in der Vektorrechnung sein und keine Angst vor numerischer Integration und ihren Tücken haben.

(Bezieht man sogar noch die Reibung ein, kann man auch Trajektorien in der Luft, im Wasser oder sogar im Schnee berechnen oder optimieren, wenn man zusätzlich einen „Aktor“ in die Masse hineinsetzt, um anschließend nicht-geometrische Größe wie die Laufzeit zu optimieren (Ski-Slalom zum Beispiel).)

Im Falle der gravitativen Kräfte ist kein Teilnehmer im Raum „festgenagelt“, weshalb (ebenfalls nach Newton!) sich alle Teilnehmer bewegen können und dies auch tun, wobei sie dem Gesetz „Kraft gleich Gegenkraft“ gehorchen.

Jetzt liegt es wieder am Geschick des Bearbeiters, das Problem durch geeignete Wahl der Koordinaten nicht unnötig kompliziert zu machen. Das erfordert einige Übung.

In Wahrheit sind die einzelnen „Teilnehmer“ am gravitativen Kraft-Austausch nicht punktförmig, wodurch sich weitere Komplikationen ergeben.

Weil das so komplex ist, ist dieser Hauptabschnitt „Trajektorien“ so tief gegliedert und mit so vielen Beispielen und heuristischen Bemerkungen bestückt. Viel Spaß beim Durcharbeiten und Nachmachen!!!

HIER kann man aber schon einige allgemeine physikalische Grundsätze aufstellen und daraus sogar schon interessante Spezialfälle ableiten:

1. Aus dem Energiesatz folgt, dass es eine irgendwie geartete „Schwingung“ zwischen potentieller und kinetischer Energie gibt, die, wenn keine Reibung existiert, sogar ungedämpft ist. Wenn außerdem das Potential isotrop (also nicht richtungsabhängig, sondern nur radiusabhängig) ist, wäre der Drehimpuls zeitunabhängig und die Bahn eben. Daraus folgt unmittelbar eine Rosette mit über die Zeit konstanten größten und kleinsten Abständen zum Kraftzentrum. Bei verschwindendem Drehimpuls entartet diese Rosetten-Schwingung zu einer Reflexion am Kraftzentrum (Kraft-Exponent negativ) oder zu einer Pendelbewegung symmetrisch zum Kraftzentrum (Kraft-Exponent null oder positiv). (Das sind die mathematischen Konsequenzen. Physikalisch ist ein verschwindender Drehimpuls mit einer Kollision und damit mit einem Ende der Trajektorie verbunden!)

2. Isotrope Kraftfelder kann man als Taylorreihe nach dem Radius entwickeln. Nur im Falle der Exponenten +1 und -2 entstehen aus den Rosetten durch Resonanz die bekannten Ellipsen nach Lissajoux bzw. Kepler. Das heißt im Umkehrschluss, dass auch bei Verlassen der Kugelsymmetrie einer Kraftquelle Ellipsen NICHT mehr möglich sind. (Periheldrehung oder/und Präzession!) Das heißt aber als Spezialfall auch, dass bei Isotropie IMMER Kreisbahnen möglich sind, weil die Schwingungsamplitude verschwinden kann, indem man sich auf einer Bahn konstanter potentieller Energie bewegt.

3. Im Spezialfall des Gravitationspotentials im Spezialfall Zweikörperproblem (=Einkraftproblem!) ergibt sich im Spezialfall konstanter Massensumme und im Spezialfall konstanten Abstands im Spezialfall Kreisbahn eine Unabhängigkeit der Umlaufzeit von der Massenaufteilung, die auf den Fall konstanter Summe der Großen Halbachsen der Doppelsternellipsen ausgedehnt werden kann.

Es gilt dann nach einigen Umformungen des Gravitationsgesetzes (sehr ähnlich zu Kepler!) und Gleichsetzung mit der Fliehkraft:

Fg = G*m1*m2/(r1+r2)²

Ff1 = w²*m1*r1; Ff2 = w²*m2*r2   mit w=2pi/T

Daraus

w²*r1 = G*m2/(r1+r2)²

w²*r2 = G*m1/(r1+r2)²

Daraus

w²*(r1+r2) = G*(m1+m2)/(r1+r2)²

Diese Gleichung allein hat eine trügerische doppelte Symmetrie in m und r und täuscht damit vier Lösungen vor. Mit dem gleichzeitig geltenden Impulserhaltungssatz löst sich das im Schwerpunktsystem auf, denn zum größeren r gehört somit das kleinere m.

Experimentell wird das durch mein Gravitations-Spiel-Programm (hier für kugelsymmetrische Massen eingestellt: mr und ms=0) bestätigt:

Es ergibt sich für Kreisbahnen ein schönes Bild für vier Beispiel-Wertepaare der konstanten Massensumme:

Schwarz 50+50; rot 60+40; grün 75+25; blau 90+10 Für alle ergeben sich experimentell tatsächlich neben der gleich eingestellten Massensumme gleiche Umlaufzeiten und gleiche Radiensummen, sofern sich aus der Startgeschwindigkeit Kreisbahnen ergeben!

Um einen Zusammenhang für Ellipsen zu finden, der an das dritte Keplersche Gesetz erinnern könnte, sind weitere Überlegungen erfoderlich.

Hier kann man nun spielen und unterschiedliche Ellipsen einstellen und dieses Gesetz anhand der entstehenden Daten überprüfen.

Da sich (wie alle umgekehrt zu den Massen proportional punktgespiegelten Bahnpunkte auch) die Großen und Kleinen Halbachsen umgekehrt proportional zu den Massen verhalten müssen (Schwerpunkterhaltung), ergeben sich ähnliche Ellipsen-Paare.

Aus Doppelstern-Beobachtungen kann man gleich mehrere Systemparameter ableiten, sofern man Rückschlüsse auf ihren Abstand von der Erde ziehen kann (aus der Rotverschiebung zum Beispiel).

 

Die hier ausgewählten drei Ellipsen-Paare (Massen 50+50 schwarz, 60+40 rot, 75+25 grün) haben bei gleicher Massensumme jeweils die gleiche Umlaufzeit T=160 und die gleiche Summe der großen Halbachsen (kann jeder am Bildschirm ungefähr nachmessen!), weil die Exzentrizitäten genau dahin angepasst sind.