2.8.7 Trajektorien innerhalb rotationssymmetrischer Masseverteilungen
Kann man nach allen vorangegangenen Überlegungen Aussagen zu Trajektorien im Inneren von Masseverteilungen, zum Beispiel Galaxien, treffen?
Dazu gehen wir wieder induktiv vor, oder, besser gesagt, vom Einfachen zum Komplizierten.
Betrachten wir den einfachsten Fall einer rotationsellipsoidischen Galaxie mit konstanter Massedichte. Wie unterscheidet sie sich in ihrem Inneren vom bekannten Inneren einer homogenen Kugel? (Dort haben wir einen linearen Kraftverlauf in radialer Richtung festgestellt.)
Man kann noch weiter gehen und ein echtes 3-Achs-Ellipsoid (also ohne Rotationssymmetrie!) betrachten:
Nimmt man sich wieder eine numerische Kraft-Integration vor und untersucht den Kraftverlauf entlang der Achsen sowie der Flächen- und Raum-Diagonalen des Achsenkreuzes, so staunt man nicht schlecht, dass auch hier längs einer Ursprungsgeraden eine Proportionalität zwischen Kraft und Abstand vom Schwerpunkt besteht!

Kraftverlauf innerhalb und außerhalb eines NICHT rotationssymmetrischen Ellipsoids: Im Inneren mit unterschiedlichen Anstiegen linear, im Außenraum hyperbelartig mit heftigen Offsets in der Abszisse
Was heißt das?
Das bedeutet erstens, dass
- im Falle eines Rotationsellipsoids sekrecht zur Achse in der Ebene mit dem Mittelpunkt ein „echt elastisches“ Verhalten (mit richtungsunabhängiger „Federkonstante“) erwartet werden kann: Eine Ellipse mit dem Schwerpunkt als Mittelpunkt und einer abstandsunabhängigen Frequenz. (Der Sonderfall des Kreises ist selbstverständlich Element der Lösungsmenge!)
- im Falle eines 3-Achs-Ellipsoids in jeder beliebigen Ebene durch den Mittelpunkt ein „komplexes elastisches“ Verhalten erwartet werden muss, nämlich eine Rosette als nichtsynchrone Schwingung um den Mittelpunkt mit einer abstandsabhängigen Frequenz, Winkelgeschwindigkeit und Umlaufzeit.
Das bedeutet zweitens, dass auch bei einer Neigung gegen die Rotationsebene im Rotationsellipsoid Rosetten (also Präzessionen sowohl der Apsiden als auch der momentanen Bahnebene) entstehen, weil der Gradient der Kraft zwar pro Richtung konstant, aber trotzdem winkelabhängig (also richtungsabhängig) ist.
Die Konsequenzen für eine Galaxis sind (nicht vergessen: alles ist hier NICHTrelativistisch gerechnet!), dass die sturen Erwartungen, alles bewege sich nach Keplerschen Sätzen um eine alles überstrahlende Zentralmasse, nicht in Erfüllung gehen können. Das kann man also auch schon ohne eine „Modifizierte Newton-Dynamik“ („MOND“) voraussagen, dass das T²-a³-Gesetz dann nicht zutreffen kann!
Nimmt man noch die Überlegungen zu den Stabilitätsbedingungen in den Lagrange-Punkten hinzu, muss man feststellen, dass
- zufällig auf genäherten Kreisbahnen befindliche Objekte in der ellipsoidischen Galaxis ähnliche Umlaufzeiten haben können
- eine Selektion stattfinden kann (Hinausschleudern mit Verdünnung der Galaxis oder Verschlucken im wachsenden Zentrum), die entweder den synchronen Zustand stabilisiert oder den Keplerschen um ein Schwarzes Loch erzeugt
- sämtliche Zwischenzustände möglich sind
insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Galaxien seit dem Urknall noch nicht wirklich viele Rotationen hinter sich haben.
Des weiteren fallen entfernte Ähnlichkeiten zu Bewegungen des (allerdings inkompressiblen!) Magmas im Erdinneren auf: Betrachtet man nämlich alles im mitrotierenden System, kommen die interessanten Effekte der Coriolis-Kraft hinzu (die zu nichts anderem „führen“ als den Ellipsen im ruhenden KS). Unter diesem Aspekt kann man dann auch von Nichtgleichverteilungen der Masse innerhalb der Galaxis und ihren Auswirkungen sprechen, die denen der infolge der thermisch und chemisch bedingten Dichteunterschiede des Magmas stattfindenden insofern ähneln, als dass sie lokal Misch- oder Übergangsformen zwischen elastischen und keplerschen Bedingungen schaffen. Genau das erhellt nachträglich den anfangs als „rein hypothetisch“ empfundenen Untersuchungsgegenstand des variablen Abstands-Exponenten des Kraftgesetzes und seines Einflusses auf die Trajektorien!
Wollte man das genauer untersuchen, bräuchte man einen viel leistungsstärkeren Rechner…
Wenn wir aber nach dem Durchdenken der obigen Zeilen damit zufrieden sind, dass wir nun das gleichzeitige Nebeneinanderbestehen von Balken-Galaxien, offenen Sternhaufen, flachen ellipsoidischen Galaxien mit und ohne synchronisierte Umlaufzeiten nicht mehr als „undenkbar“ innerhalb der bestehenden Gesetzes-Kenntnis erachten, haben wir viel erreicht!
Als Erinnerung hier nochmals eine 3D-Schiel-Ansicht im „einfachen“ Fall des (flachen) Rotationsellipsoids. (Die Trajektorie muss bei richtiger Augenstellung des „Hinter-die-Bild-Ebene-Schauens“ vor den Koordinaten-Quadraten schweben.)