Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


2.6.1 „3-D-Eisblüten“: Gebogene Eis-Flächen

In unserem Garten wachsen in jedem Winter bei schneefreiem Frost zwischen den schlafenden Bodendeckern (Bleiwurz) leuchtende „Knubbel“, die durch die Scheiben der Terassentür wie weiße Blüten erscheinen. Geht man näher heran, erlebt man ein „Wunder“: Es sind dreidimensionale Eisblumen, besser „Eis-Blüten“! Im Unterschied zu den quasi zweidimensionalen Gebilden auf Glasscheiben, die an Farnwedel erinnern (und ebenfalls leicht gebogen sind!), entstehen hier gewölbte Flächen, die stark an „Minimalflächen“ erinnern. Ein paar Fotos von heute sollen das deutlich machen:


Diese seltenen Eisbildungen werden auch „Eiswolle“, „Haareis“ oder „Engelshaar“ genannt (bestimmt gibt es weitere romantische Bezeichnungen dafür, denn jeder, der sie einmal gesehen hat, ist fasziniert!).

Wie entstehen die denn? Sie sehen aus wie eine „durch einen welligen Schlitz gepresste und beim Verfestigen  verbogene“ Masse. Was ist der Start des Vorgangs, und wo ist die Wachstumsfront?

Sie entstehen, wenn durch „ätherische Öle“ angereicherte Feuchtigkeit aus Rissen in den Bleiwurz-Wurzeln oder -Stängeln tritt (unterstützt durch einen sehr leichten Überdruck, der von Fäulnisprozess-Gasen verursacht wird) und sofort an der Luft gefriert (dort scheinen die Ingredenzien zu verdunsten und ihre Senkung des Gefrierpunktes verschwindet, weshalb diese Erscheinungen nur kurz unter 0°C UND nur kurz über dem Erdboden auftreten). Da die Feuchtigkeit „nachgeliefert“ wird, schieben sich die flächigen Gebilde offenbar etwas rhythmisch (also durch eine noch genauer zu ermittelnde Rückkupplung entstehende Streifung) immer weiter hinaus, wobei die Krümmung der Fläche mit drei Ursachen zu tun haben kann: gekrümmter Austritts-Spalt, Oberflächenspannung, Schwerkraft.

In diesem Jahr (8. Februar 2023) sind gleich daneben auch „normale“ Reifbildungen am Boden zu erkennen (das erste Bild zeigt „normale“ 60°-gefiederte Reif-Plättchen auf Schnee im Osterzgebirge gestern nach der Nebelnacht):


Wir hatten geradezu darauf gewartet, dass sie auch in diesem Jahr wieder wachsen würden!