Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


2.4.1.1.2.1 Longitudinale Stabschwingung

Eine alte Erfahrung sagt, dass man seinen Erfahrungsschatz besonders gut verbessern kann, wenn man mit eigenen Hypothesen in die Lösung eines Problems geht, weil dann enweder eine Bestätigung der Hypothese oder ein Erfordernis ihrer Korrektur folgt, was beides zur Festigung des Erfahrungs-GEBÄUDES beiträgt.

Welche Hypothesen hat man hier bei der longitudinalen Schwingung eines elastischen Stabes (vgl. auch die sehr ausführlich – mehr als eindimensional! – behandelte Saiten-Schwingung unter 4.3.1.3!)?

– Es sollte eine Höchstfrequenz auftreten, die sich aus der Gegenschwingung unmittelbarer elastischer Nachbarn ergibt. Sie sollte also unabhängig von der Stablänge sein.

– Es sollte eine Tiefstfrequenz auftreten, die sich aus der Laufzeit der durch den Stab eilenden Stoßwelle ergibt. Diese ergibt sich sicherlich aus der Stablänge, der elastischen Materialkonstanten und einer Dichtekonstanten des Stabes.

– Es sollten auch dazwischen stabile Muster existieren, die sich aus der Interferenz sich kreuzender Wellen entstehen und als „Obertöne“ zu hören sein müssten.

– Es sollten Unterschiede entstehen, wenn man die Einspann-Verhältnisse ändert: freier Stab ohne Einspannung, symmetrisch beidseitig eingespannter Stab und einseitig eingespannter Stab

– Es herrscht Unsicherheit über die Frequenzverhältnisse zwischen den Obertönen („Eigenfrequenzen“) des Stabes, weil man sich nicht ganz sicher ist, ob mit einem linearen Ansatz für die elastischen Wechselwirkungen das übliche ganzzahlige Vielfache einer Grundschwingung zu erwarten ist.

Es ist nun ein Modell in VBA (Visual Basic for Apllications) als Hintergrund für EXCEL aufgebaut worden, bei dem man tatsächlich sehr viele Variablen hat:

– Anzahl und Masse der Schwinger

– Konstante und Länge der Federn

– 9 Grund-Arten der Anregung mit allen erforderlichen variablen Einzel-Parametern

– äußere Kräfte

– Dämpfung (für eventuellen Ausgleich numerischen „Überschwingens“) (s. Bem.1 unten)

Für die Durchführung sind Länge und Anzahl der Zeit-Takte wählbar.

Für die Auswertung sind

– eine grafische Darstellung des Schwingungszustandes über die Zeit als Diagramm angelegt

– eine Fourier-Analyse der Schwingung einer auswählbaren Masse

angelegt.

(Übrigens: Die Rechenzeit für ein Schwingungsbild aus beispielsweise 10.000 mal 59 Punkten beträgt auf meinem PC etwa 15 s und für eine Fourier-Analyse mit 1.000 Frequenzen über 10.000 Punkte eines Schwingers etwa 30 s. Und ein Hinweis für Anfänger: Wenn VBA eine Tabelle ausfüllt, zu deren Zellen funktionale Verknüpfungen bestehen, dauert es zig-mal länger. Deshalb sollten grundsätzlich ALLE Berechnung zu VBA übernommen werden.)

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EINSCHUB: Das PHYSIKALISCHE Modell muss aber noch genauer beschrieben werden, damit man bei evenuell auftretenden Überraschungen genau weiß, was man alles berücksichtigt oder weggelassen hat:

Im Modell wird davon ausgegangen, dass

– jede Masse zwischen zwei identischen Federn plaziert ist

– jede Feder über zwei gleichgroße entgegengesetzte Kräfte wirkt

– jede Masse durch die resultierende Kraft beschleunigt wird

– die doppelte Zeit-Integration der zu jedem Zeitpunkt ermittelten kraftabhängigen Beschleunigung zur Ermittlung der zeitabhängigen Ortsfunktion für alle Massen unabhängig voneinander durchgeführt werden kann, indem der Zusammenhang wie folgt genutzt wird:

– Ermittlung des Kräftepaars für jede Masse aus den Abständen zu den Nachbarn und damit Ermittlung der Beschleunigung:

a(n,t) = (k/m)*(x(t,n+1)+x(t,n-1)-2x(t,n))

– Ermittlung der neuen Geschwindigkeit über eine Korrektur der alten mit Hilfe der Beschleunigung:

v(n,t+dt) = v(n,t) + a(n,t)*dt

– Ermittlung eines neuen Ortes über eine Korrektur des alten mit Hilfe der Geschwindigkeit:

x(n,t+dt) = x(n,t) + v(n,t)*dt

(Für die Randmassen ergeben sich je nach Einspannung leicht veränderte Zusammenhänge.)

Nach Erledigung des Zeittaktes (und wirklich erst NACH Erledigung aller Berechnungen!) wird die Ersetzung von x(n,t) und v(n,t) durch x(n,t+dt) und v(n, t+dt) durchgeführt, um in neuer Schleife die neuen Orte des folgenden Taktes zu ermitteln. Bildlich gesprochen bedeutet das, dass jede Masse nur mit den direkten Nachbarn wechselwirkt und von den übrigen nichts „weiß“. Erst im Folgetakt vermitteln die nächsten (=direkten) Nachbarn die Wirkung der übernächsten. Das beudeutet für den Zeittakt, dass er deutlich kürzer sien muss als die Zeitspanne, die sich aus der „Schallgeschwindigkeit“ für den Nachbar-Abstand im gewählten Modell ergäbe.

Diese hier dargestellte Entkopplung aller Massen beruht auf der Möglichkeit, das Gesamtsystem durch Superposition aller Teilsysteme zu beschreiben, die dadurch gegeben ist, dass alle Kräfte parallel liegen (dass das System eindimenional ist). Das gleiche gilt übrigens für die schwingende Saite, wenn man alle Transversalbewegungen näherungsweise als parallel ansieht, und auch für die Torsionsschingung, weil alle Drehmomente und Drehimpulse die gleiche Achse haben. Damit sind auch in disen beiden zusätzlichen Fällen alle Obertöne als ganzzahlige Vielfache der Frequenz der Grundschwingung zu sehen.

Der Fall der Biegeschwingung muss gesondert behandelt werden. In ihm treten Rotationen um verschiedene – wenn auch parallele – Achsen auf.

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Zuerst sollte man prüfen, ob die oben in 2.4.1.1.2 gemachten reinen EXCEL-Berechnungen bestätigt werden und die Extremal-Auslegungen des Modells plausibel funktionieren. Das ist erfreulicherweise der Fall, wie die ersten Versuche zeigen, begonnen mit der unmittelbaren Gegenschwingung von erst 2, dann 4 und schließlich 58 Massen (eingespannt oder frei):



Man erkennt, dass der Peak in der Fourier-Analyse mit wachsender Massenzahl schärfer wird und etwa bei 1 Hz liegt, wenn man benachbarte Massen zum Start paarweise gegeneinander verschiebt.

Wie erklärt sich diese Maximalfrequenz? (s. unten Bem.2!)

Nun wird geprüft, wo groß die Grundfrequenz des Stabes ist, indem ein einziger Stoß gegen eine Randmasse erfolgt:


Jetzt kann man zweierlei ablesen: Erstens pflanzt sich wirklich eine Stoßwelle fort und benötigt für einen kompletten Durchlauf mit Rückweg etwa 37 s, wie man aus einer Verfeinerung des Taktes erkennt:

(Hier ist tatsächlich die Taktzeit reichlich gedrittelt worden, wobei das neu entstehende Bild völlig identisch ist mit einer reinen Spreizung des vorhergehenden, was für eine hinreichende Genauigkeit der numerischen Integration spricht, also für das Fehlen von numerischen Artefakten!)

Zweitens erkennt man, dass sich hintert der anfänglichen Wellenfront parallel zu ihrer Abschwächung weitere Wellen bilden und mit der Zeit die Energie auf viele (alle…) Schwinger verteilen, wobei diese Schwingungen der oben gemessenen Maximalfrequenz entsprechen (man könnte es übertragen „Wärmeschwingungen“ der einzelnen Moleküle nennen). Das dazugehörige Spektrum hört tatsächlich bei der Maximalfrequenz auf und weist aber viele niedrige Frequenzen auf, weil anders herum auch ein einzelner Stoß nicht anders aus Schwingungen zu synthetisieren wäre…

Um die Stabilität einer 37-s-Schwingung zu prüfen, machen wir zwei Proben:

a) eine Anregung einer Randmasse mit solcher Schwingzeit

Schwingungsverlauf des Stabes

Spektrum Mitte (Auslöschung)

Spektrum oben (Anregung)

Spektrum unten (Reflexion)


Die Schwingzeit von 37 s entspricht einer Frequenz von 0,027 Hz. Dieser Peak ist eindeutig im Anregungsspektrum zu erkennen. Er kommt auch unten bei der Reflexion am „losen Ende“ (Stab ist nicht eingespannt!) an. In der Mitte des Stabes löscht er sich völlig aus, dafür ist aber sowohl die halbe als auch die anderthalbfache Frequenz zu erkennen. Das werden wir weiter unten auswerten.

b) eine gleichzeitige Stoß-Anregung des gesamten Stabes mit entsprechender räumlich verteilter „Schwingung“ (eine räumliche Halbwelle auf alle 59 Anfangspositionen verteilt)

Schwingung des gesamten Stabes

Rand-Spektrum für Halbwellen-Anregung


Der Stab macht tatsächlich von sich aus eine Schwingzeit von 37s und ist spektral einlinig!

Eine physikalisch-mechanisch realisierbare Anregung wäre ein elastisches Pressen (Stauchen) des Stabes (das entspricht jetzt einer räumlichen Dreiecks-Verteilung der Startlagen statt der obigen halben Sinus-Welle) mit plötzlichem Lösen der Einspannung, was einer Veränderung der Start-Lagen „nach innen“ proportional zur Entfernung von der Mittellage entspricht:

Elastisches Start-„Dreieck“ wird am Rand zur Dreieck-Schwingung!

Randmasse als Dreieck

Trapez bei 15 von 59

Rechteck bei 29/59

Ruhe bei 30/59


Diese Schwingung zeigt die typischen Frequenzen und Intensitäten der Fourier-Entwicklung von Dreieck, Trapez (zwischen Rand und Mitte) und Rechteck (nahe Mitte), nämlich ungeradzahlige Vielfache der Grundfrequenz des Sinus mit tendenziell wachsenden Anteilen der höheren Frequenzen.

Eine weitere physikalische Anregung wäre das elastische Verziehen allein der Mitellage, z.B. nach oben:

Eingespannter „Dreieck-Start“

Trapezschwingung bei 15/59


Auch hier reproduziert sich die Dreieck-Schwingung am Ort der größten Amplitude, jetzt also in der Mitte.

Interessant wäre nun die Erzeugung der erwartbaren Oberwellen und die Prüfung, was passiert, wenn man oberwellenfremde Frequenzen der Anregung wählt.

Beginnen wir mit einer Anregung nur am oberen Rand ohne Einspannung, aber mit Freigabe der Schwingung nach der halben Beobachtungszeit:

Anregung oben, 6 Perioden in der Oktave

Spektrum über die Gesamtzeit


Die erzwungene Schwingung zeigt Auslöschungen nach unten zu (Reflexion), die freie Schwingung symmetrisiert sich durch Ausschwingen der Amplitude oben, so dass die Oktave den gesamten Stab stabil erfasst. Das Spektrum ist nicht scharf, weil zwei Moden gleichzeitig erfasst sind. Zwei Änderungen mögen das belegen:

Zuerst wird die erzwungene Schwingung beibehalten und für eine bessere Fourier-Analyse über einen längeren Zeitraum integriert):

Schwingungsbild mit Auslöschungen

FA 45/59

FA 44/59

FA 30/59

FA 15/59


Die Anregungsfrequenz von 0,54 Hz wird nur in der Mittelposition 30/59 deutlich, weil dort die „Breite“ der Auslöschuhng der Anregungs-Schwingzeit entspricht. Die übrigen Peaks sind ungeradzahlige Vielfache (Oberwellen) der Auslöschungs-Schwebung, die viermal so lang ist wie die Anregung, also ein Viertel der Anregungsfrequenz beträgt und an allen betrachteten Schwingern enthalten ist.

Dann wird sofort der eingeschwungene Zustand als Sinus-Start angeregt und beobachtet, ob er stabil ist:

Stabile Sinusschwingung der Oktave

FA der stabilen Oktave bei 30/59


Und zum Vergleich noch die durch eine einzige Sinuswelle der oberen Masse angeregte Schwingung:

kurz oben angeregte Oktave

FA 30/59


Bei „Tonabnahme“ in der Mitte würde man hier keinen Unterschied zum vorigen Fall feststellen, aber bei Tonabnahme am Ende schon:

Tonabnahme oben: Quinte, Terz und Septime kommen als Rechteck-Komponenten dazu!

Die Anregungs-Frequenz von 0,54 Hz wird ergänzt durch die Oktave darunter (Laufzeitfrequenz der Grundschwingung), die Quinte darüber (3-fache Grundschwingung), die Terz der nächsten Oktave (5-fache Grundschwingung) und die Septime dieser oberen Oktave (etwa 7-fach Grundschwingung). Man könnte also einen schönen Mehrklang erzeugen, der – als Dominatseptakkord verstanden – nach Auflösung zur Tonika (4/3 der Anregungsfrequenz als neue Basis der Tonika) schreit…

Wir können das gleiche Spiel mit weiteren Oberwellen durchführen und kommen immer zum gleichen Ergebnis: Sie sind stabil und ergeben auch schöne Diagramm-Muster (entfernt erinnernd an Schwingungsmuster von Stäuben auf schwingenden Platten, aber eben leider nur „virtuelle“ Diagramm-Strukturen der zweidimensionalen Raum-Zeit).

Schließlich wollen wir noch sehen, was passiert, wenn man relativ dicht neben einer „echten“ Oberwelle anregt (man will ja die Peaks im Spektrum trotz der geringen Anzahl von kompletten Schwingungen gut trennen können), zum Beispiel mit T=15 s (f=0,0667 Hz), statt T=17,5 s (f=0,054 Hz):

Erzwungene T=15, dann freie Schwingung

Beide Frequenzen zu sehen


Man erkennt, dass sich die unsymmetrische erzwungene Schwingung von 0,067 Hz schnell symmetriert zur ersten Oktave von 0,054 Hz. Das ist die erste Erkenntnis zu longitudinal schwingenden Stäben oder Luftsäulen, die uns zufrieden stellen kann: Nach kurzer „kratzender“ Anregung stellen sich Eigenschwingungen ein, die in der Nähe der Anregung liegen. Prüfen wir das mit der nächsten Oktave von 0,108 Hz, indem wir mit 0,133 Hz anregen:

Es bleibt eine Schwebung

Schlechte Trennung


Das war doof, denn bei 0,135 Hz liegt die nächste Terz, deshalb sieht man hier wenig.

Gehen wir also näher an die Oktave heran: T=8,5 s; f=0,118 Hz:


Hier sind zwei deutlich zu trennende, aber nahe Peaks von 0,108 (Oktave) und 0,118 (Anregung) zu erkennen. Die Symmetrierung des Musters ist nicht perfekt, das heißt, die Klangfarbe des entstehenden Tones ist nicht rein, sondern „instrumentenspezifisch“, hier durch fehlende Einspannung realisiert und wieder zum Mitklingen von Quinte und Terz führend. Also ändern wir das „Instrument“: Zuerst regen wir es in der Mittelposition an (wie immer das auch realisiert werden soll):

Mittelanregung ohne Einspannung

Neues Spektrum


Das Ergebnis ist sehr ähnlich, allerdings ist hier die gleiche Anzahl an Bäuchen besser zu erkennen im erzwungenen und im freien Bild.

Und nun spannen wir es einfach einmal symmetrisch ein (dadurch verändert sich die Grundfrequenz allerdings auch etwas!):

Eingespannt

Wechsel zur Terz


Die eingestellte Eigenschwingung hat jetzt einen höheren Ton (ist jetzt die Terz als fünffache Grundfrequenz – drittes ungerades Vielfaches -, sieht man auch an den fünf Bäuchen der Schwingung im eingeschwungenen Bereich des Bildes!) als die Anregung, was durch die Einspannung bewirkt wird.

Das soll auch bei „tiefen“ Frequenzen überprüft werden, z.B. auf der Quinte oben angeregt frei:

Quinte schlägt zur Oktave hoch

Peaks relativbreit, weil wenige Perioden da sind


Und nun mittig angeregt, aber eingespannt:

Umschwung nach tieferem Ton

tieferer Dreiklang


Wir sehen also, wie spannend das ist, wenn so viele Parameter geändert werden können. Hier war zum Beispiel wieder eine leichte Dämpfung erforderlich, weil ja schließlich Energie eingespeist werden muss, wenn man neben einer Eigenfrequenz liegt (erzwungene Schwingung fordert Energie!).

Wichtigstes Fazit:

Die longitudinale Stabschwingung bringt keine anderen Obertöne hervor als die transversale Saitenschwingung. Die ganzzahligen Vielfachen sind aber bei symmetrischer Einspannung auf die ungeraden Vielfachen begrenzt, was noch begründet werden muss: Bei Mittelanregung ist dort ein Bauch, und aus Symmetriegründen können nur geradzahlige weitere Bäuche hinzukommen.

Es muss also noch eine unsymmetrische Anregung und vor allem die einseitige Einspannung untersucht werden!

Zuerst untersuchen wir den Einfluss des Anregungsortes auf das Spektrum, wobei wir sowohl mit der zu erwartenden Obertonfrequenz als auch daneben anregen, um das „Einschwingen“ nach dem Ende der Anregung zu beobachten. Wenn eine bestimmte Anzahl von „Knoten“ erreicht werden soll, so muss man natürlich auch die Einspannung beachten. Ist der Stab beidseitig eingespannt, befinden sich in den Einspannungen immer Knoten, und die Zahl der Bäuche ist dann zwischen den Einspannungen um eins größer als die der Knoten zwischen den Einsoannungen. Will man im Bauch anregen, sollte man das beachten. Bei einer geradzahligen Anzahl von Knoten ist also immer in der Mitte ein Bauch, so dass man dann dort auch anregen kann. Bei einer ungeradzahligen Knotenzahl wird i.a. im untersten Bauch angeregt.

Das Ergebnis bestätigt unsere Vemutungen:

Anregung mit der halben Eigenfrequenz


Die halbe Frequenz wird vom Stab nicht angenommen, er schwingt sich sofort zur Eigenfrequenz auf und zeigt die Obertöne.

Anregung mit der Eigenfrequenz


Die Spektren zeigen einen interessanten Unterschied zwischen Stabmitte und Stabrand: In der Mitte sind nur die ungeradzahligen Vielfachen der Grundfrequenz zu sehen (nur diese haben dort einen Bauch).

1 Knoten, viertelig angeregt


Hier haben wir die Oktave auf dem Grundton von 0,027 Hz.

2 Knoten, mittig angeregt


Nun die Quinte auf der ersten Oktave.

2 Knoten, mittig zu tief angeregt

trotzdem eingeschwungen


Die Anregung mit zu tiefer Frequenz erkennt man an der Splittung des Haupt-Peaks, da ja die Fourieranalyse hier stets an der zeitweilig angeregten Masse stattfindet.


Hier drei Knoten an verschiedenen Stellen angeregt, man erkennt das bessere Spektrum bei Anregung an der richtigen Stelle (3 Knoten sind 4 Bäuche, und zwar bei 1/8, 3/8, 5/8 und 7/8) von 1/8 (bei einer Saite einer Geige wäre das also für einen Flageolett-Ton relativ dicht am Griffbrettende, während der Finger leicht aufgesetzt einen Knoten bei einer Viertelsaite – bei der Quarte – unterstützt), so dass die vierfache Frequenz des Grundtons entsteht (hier: 4*0,027Hz = 0,108 Hz), also zwei Oktaven darüber. Streicht man die Saite etwas vom Bauch entfernt an, wird der Ton nicht so klar sein, vor allem, wenn man ihn frei nachklingen lassen will, wie das obere der beiden Spektren zeigt.


Hier das Spiel mit vier Knoten, also fünf Bäuchen, mittig angeregt mit drei benachbarten Frequenzen, wovon zwei ungenau sind, was in den Spektren an den Doppelpeaks zu sehen ist. Nun sind wir auf der Terz über der zweiten Oktave.


Zum Schluss noch fünf und sechs Knoten (Quinte über der zweiten Oktave und Septime). Es funktioniert also wirklich, dass die Schwingung sich selbst erhält, weil die stehende Welle selbst bei Schwebungen in der Nähe der Einspannungen (während der Anregungsphase!) sich selbst mittelt.

Eine bessere Variante (schärferes Spektrum!) für 5 Knoten sieht so aus:


Die Fülle der Parameter (Anzahl der Anregungs-Schwingungen, Auswahl des Anregungs-Punktes, Frequenz, Amplitude) macht das Spielen und erarbeiten optimaler Werte für anschauliche Grafiken zeitaufwändig, aber auch freudvoll.

Fassen wir die Ergebnisse für stabile Schwingungen des Stabes (also stabile Interferenzen der durch den Stab laufenden Wellen), so erkennen wir, dass es sich um ganzzahlige Knoten (oder besser: Bäuche) handelt, wobei im eingespannten Zustand des Stabes die Enden immer Knoten sind. Die Laufzeiten T der Welle von Bauch zu Bauch sind also vom Typ a/n (n ganzzahlig), weshalb die Frequenzen f=1/T vom Typ a*n sein müssen. In unserem Fall gehen die Messungen mit hinreichender Genauigkeit mit, wobei wir zu berücksichtigen haben, dass sich der Stab nach dem Ende der Anregung „selber auf die Resonanzfrequenz einschwingt“:

1 Bauch (kein Knoten): 0,027 Hz mittige Anregung, Grundton

2 Bäuche (1 innerer Knoten): 0,0541 Hz außermittige Anregung, also etwa 2*0,027 Hz = 0,054 Hz (Oktave)

3 Bäuche (2 innere Knoten): 0,0769 Hz mittige Anregung, also etwa 3*0,027 Hz = 0,081 Hz (Quinte)

4 Bäuche (3 innere Knoten): 0,106 Hz außermittige Anregung, also etwa 4*0,027 Hz = 0,108 Hz (Oktave)

5 Bäuche (4 innere Knoten): 0,133 Hz mittige Anregung, also etwa 5*0,027 Hz = 0,135 Hz (Gr. Terz)

6 Bäuche (5 innere Knoten): 0,160 Hz außermittige Anregung, also etwa 6*0,027 Hz = 0,162 Hz (Quinte)

7 Bäuche (6 innere Knoten): 0,182 Hz mittige Anregung, also etwa 7*0,027 Hz = 0,189 Hz (Kl. Septime)

Spannend wird nun das Spiel mit einer einseitigen Einspannung:

Man sollte erwarten, dass andere Frequenzen auftreten, wenn wir ein Ende des Stabes mehr oder weniger fest einspannen. Hier ist es so programmiert, dass die erste Masse über eine (zusätzliche) Feder an den festen Rand gespannt ist. Wenn wir nun die gegenüberliegende letzte (freie!) Masse anregen, können alle anderen frei schwingen (auch die erste). Wir regen also die letzte freie am anderen Ende an und sehen, was durch die Reflexion am festen Ende passiert und welche stabilen Obertöne sich als stehende Welle einstellen können.

Wir beginnen mit der Grundschwingung, die hier eine Schwingzeit T von 75 s hat:


Dann gehen wir zur Hälfte der Schwingzeit über (37,5s), nehmen also die doppelte Frequenz, die Oktave:

 

 

Nächste Quinte



Hier stellt sich keine „ordentliche“ stehende Welle ein, was aus daraus erhllen kann, dass das gegenüberliegende Ufer ja jetzt einen „Bauch“ darstellen m+üsste, was wegen der Einspannung nicht klappt. Deshalb versuchen wir es jetzt nur noch mit ungeradzahligen Vielfachen der Grundfrequenz, also teilen die Grund-Schwingzeit durch ungerade ganze Zahlen:

3-fache Frequenz (Quinte)


5-fache Frequenz: Große Terz


7-fache Frequenz: Kleine Septime


9-fache Frequenz: Sekunde


Es bilden sich wunderbare stehende Wellen aus, deren Spektren eindeutig sind. Der erzwungene Knoten am befestigten Ende des Stabes lässt nicht alle Obertöne des freien Stabes zu. Die können wir nun ab hier bewundern:

 

Aus ästhetischen Gründen genießen wir noch die „ideale“ Anfangsbedingung, nämlich die Startsituation, bei der alle Massen nach einer Sinusfunktion verschoben sind und dann frei schwingen (ohne Einspannung). Ja nach Anzahl der aufgeprägten Start-Halbwellen (quasi als „Orts-Frequenz“) bleiben Bäuche und Knoten stabil und bilden die dazugehörige stabile Zeit-Frequenz aus (die Frequenzen sind jetzt doppelt so groß wie oben, weil ja zweischen Knoten und Bauch nur die Hälfte der schwingenden Massen im Vergleich zur eingespannten Situation zur Verfügung steht). Die Phasenverschiebung um pi zwischen den benachbarten Knoten ist wiederum gut zu erkennen!

1 Halbwelle


2 Halbwellen


3 Halbwellen


4 Halbwellen


9 Halbwellen


Das könnte man beliebig weiter ergänzen. Spannend wird es erst kurz vor der molekularen Eigenschwingung, weil sich geometrische Schwebungen ergeben, die aber nicht hörbar sind, und sich bei der Eigenschwingung zu Randeffekten vermindern:

58 Halbwellen


59 Halbwellen


 

Zum Schluss noch zwei seitliche Anregungen im freien Stab durch fünf kurze scharfe Stöße:

Man sieht, dass sich fast alles in fast mikroskopische „thermische Schwingungen“ verteilt, der Erreger-Takt mit allen Obertönen aber trotzdem perfekt in der Fourier-Analyse zu sehen ist.

37,4 s Taktzeit


18,5s Taktzeit


 

Hier könnten wir also die Reihe der Untersuchungen zur longitudinalen Schwingung einer Kette aus Massen und Federn, von denen lediglich die äußeren an einen Rand fixiert sein können, abbrechen. (Allerdings muss noch eine Bemerlung an all jene erlaubt sein, die diese Beispiele streng physikalisch betrachten: Wenn hier von „Stößen“ die Rede ist, so ist das nicht ganz korrekt, denn es handelt sich nich um Impuls-Übertragung, sondern um diskrete konkrete Ortsveränderungen. Deshalb wird nicht der Gesamt-Impuls des Systems aus 59 Massen verändert, sondern nur dessen Schwerpunkt-Lage. Es entsteht also KEINE bleibende Drift, sondern nur eine einmalige Verschiebung pro „Stoß“.)

Allerdings: Noch spannender wird es, wenn wir z.B. zwei symmetrisch zur Mitte gelegene Massen im Inneren des Stabes befestigen und zulassen, dass trotzdem eine Kraftübertragung stattfindet (die beiden mit dieser Masse verbundenen Federn also „punktsymmetrisch Kräfte übertragen“, wie das bei einer Biegung – transversale Schwingung! – des Stabes ja bei rotationsfreier Lagerung in zwei Punkten – Xylophon oder besser Marimba – auch passieren würde). Aber welche Punkte wählen wir dafür aus??

Wir variieren das, und legen die Kraftübertragung von innen nach außen fest und regen die Mittelmasse einige Perioden harmonisch an:

Massen 1 und 59 fixiert


5 und 55


10 und 40


15 und 35


20 und 30


Die beiden befestigten Massen sind immer weiter nach innen verschoben worden und sollen lockere Auflager simulieren. Die Spektren sind an der Masse 5 Positionen weiter innen ermittelt worden, im letzten Fall also am Ort der Anregung.

Man erkennt leicht, dass die Fülle der möglichen Parameter hier eine vernünftige Schlussfolgerung aus diesem Spezialfall verbietet, weshalb hier Schluss gemacht werden soll. Es artet sonst in „Spielerei“ aus…

Ein schöner Vergleich bietet sich aber noch an:

Das „Einschalten“ der Schwerkraft in ihrer Wirkung auf eine stehende und

a) oben freie Federkette:

Schwingungsbild oben frei

Spektrum der (ungeraden!) Oberwellen


b) beidseitig eingespannte Kette: die Frequenzen haben sich verdoppelt

Schwingung

Spektrum


Wenden wir uns nun also der viel komplizierteren Frage nach dem Biegeschwinger zu, und zwar im nächsten Abschnitt 2.4.1.1.2.2.

Die Transversal- und Torsions-Schwingungen ersparen wir uns, weil oben im Physik-Einschub begründet worden ist, warum dort im Prinzip die gleichen ganzzahligen Harmonischen als Obertöne auftreten müssen, die sich als Paket lediglich durch andere Materialkonstanten unterscheiden.

 

Bem.1:

Bei der numerischen Integration wird stets für ein – wenn auch sehr kurzes – Intervall mit konstantem Anstieg gerechnet. Das Ergebnis ist eine „Außenkurve“ zur exakten Lösung, was durch Dämpfung an die exakte Lösung angenähert werden kann.

Bem.2:

Zwei innere Massen schwingen gegeneinander und erfahren je zwei Kräfte der an ihnen wirkenden Federn. Nach der Schwingungsgleichung sollte sich die Kreisfrequenz die Wurzel des Verhältnisses von Federkonstante k=10 und Masse m=1 ergeben. Wegen der vorliegenden Gegenschwingung wirken beide Federn in gleiche Richtung und werden außerdem noch durch die Gegenmassen beeinflusst, do dass man mit k=40 arbeiten muss. Die Wurzel ist knapp 6,5, geteilt durch 2*pi ist reichlich 1, was der Fourier-Analyse exakt entspricht! Das beruhigt ungemein. Übrigens ist „1 Hz“ mehr bildlich zu verstehen, denn dem Rechner sind die Maßeinheiten egal. Zu Vergleichszwecken ist nur wichtig, dass man stets die gleiche Umrechnung nutzt. Hier ist es eine Maximalfrequenz, die als „Molekülfrequenz“ bezeichnet werden könnte. Sie ist unabhängig von der Kettenlänge des Stabes (ganz im Gegensatz zur Grundfrequenz des kompletten Stabes, die sich reziprok zu dessen Länge verhält, da wir von einer konstanten Schallgeschwindigkeit (die sich ja aus der längenunabhängigen Molekülfrequenz ergibt) ausgehen.

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