Stützstellen der numerischen Integration und deren Einfluss auf die Genauigkeit
1. Wie prüft man die Genauigkeit einer numerischen Integration?
2. Wie verbessert man die Genauigkeit der numerischen Integration?
Die zweite Frage ist sofort leicht zu beantworten: Je mehr Stützstellen (größere Anzahl, also kleinerer Abstand), desto kleiner der Fehler (der Einzelfehler verändert sich etwa quadratisch mit dem Abstand der Stützstellen, die Anzahl der Einzelfehler verändert sich linear mit der Anzahl der Stützstellen). Spannender ist aber die Frage, ob man den Abstand der Stützstellen funktionswertabhängig oder formabhängig gestaltet, um die Anzahl der Stützstellen zu veringern (Rechenzeit einsparen!)? Damit beschäftigen wir uns weiter unten.
Die erste Frage ist manchmal nicht leicht zu beantworten. Einfach ist es immer dann, wenn man für bestimmte Parameter die Lösung sicher kennt und also direkt vergleichen kann. Am besten benatwortet man sie mit hilfe der 2. Frage, indem man eben mit dem Stützstellen-Abstand so lange spielt, bis das Ergebnis von ihm unabhängig wird. Dabei erkennt man gleich zweierlei:
– erstens die Mindestzahl der Stützstellen (also ihren Maximalabstand) für eine gute Lösung
– zweitens die Art und Größe des entstehenden Fehlers im Vergleich zur richtigen Lösung
Ein einfaches Beispiel sei eine ansonsten kräftefreie Bewegung im Schwerefeld („Trajektorie“) einer zentralen Punktmasse. Wir erwarten eine Ellipse als geschlossene Bahnkurve. Wieviele Stützstellen im Zeitablauf (konstante Zeit-Intervalle) sind dafür erforderlich?
In einer EXCEL-Tabelle können wir die Parameter leicht ändern und uns die Werte einmal erspielen. Hier wurde der numerisch ungünstigste Fall der Rechteck-Integration gewählt, das heißt, für den kompletten zukünftigen Zeitabschnitt zwischen benachbarten Stützstellen wurde eine konstante Beschleunigung angesetzt, die sich aus den Anfangskoordinaten des betrachteten Intervalls ergibt.
Hier die entstehenden Trajektorien:
Die Gesamtzahl der Stützstellen von etwa 11.000 wurde beibehalten, aber der Zeittakt vergrößert, sodass sich die Anzahl der Umläufe der Trajektorie von 1 auf 100 erhöht hat. Die Ellipse geht dabei langsam in eine Rosette über.
Um die Anschaulickeit des Vergleichs zu verbessern, muss man eine geringere Zahl von Umläufen wählen:
Hier sieht man besser, dass auch bei 110 Stützstellen pro „Runde“ noch relativ gute Ergebnisse entstehen, bei 75 aber schon eine starke Abweichung vorliegt. Deren grundsätzliche Unabhängigkeit von der Drehrichtung und vom Startpunkt wird im dritten Bild gezeigt, wo dieser statt in der Periapsis (links vom Brennpunkt) in der Apoapsis (rechts vom roten BP, Ort der viel schwereren Zentralmasse) liegt.
(„Physikalisch“ interessant ist, dass die Amplitude der radialen Schwingung ziemlich erhalten bleibt, die Frequenz sich aber ändert und damit eine Rosette entsteht.)
Frage: Kann man auch mit relativ wenigen Stützstellen die Bahn-Berechnung verbessern?
Dazu muss man sich erst einmal klar machen, an welchen Stellen der Bahn der größte Fehler entstehen kann.
Annahme 1: Der Fehler entsteht bei großen Geschwindigkeiten, also in der Nähe des Brennpunkts. Dann müsste man also den Zeittakt in jedem Schritt an konstante Wege koppeln, also umgekehrt proportional zur Geschwindigkeit pro Takt neu berechnen.
Annahme 2: Der Fehler entsteht bei großen Krümmungen der Bahn, also in beiden Apsiden. Dann müsste man den Zeittakt umgekehrt proportional zur Krümmung festlegen.
Ich habe einmal beides umgesetzt und in ein einziges Diagramm gebracht und die Diagramme dazu erstellt, die sowohl die Bahn-Geschwindigkeit als auch die Zeittaktdauer für alle drei Fälle (also incl. des „Normalfalls“ konstanter Taktlänge) anzeigen:
Man erkennt, dass das Ergebnis ganz unerwartet immer schlechter wird. Hier spielt offenbar die Fehlerfortpflanzung eine gewaltige Rolle, wenn man mit je einer linearen Korrektur arbeitet (siehe oben: der Einzelfehler ist eine quadratische Funktion!). Die großen Fehler in den langsamen oder weniger gekrümmten Abschnitten überwiegen genenüber den Fehlerverringerungen in den „kritischen“.
Schlufo:
Man muss sich schon etwas genauer damit beschäftigen, denn sonst bleibt die „einfache“ Lösung die bessere, wie die „klassisch integrierte“ blaue Bahn zeigt, die (auch in drei Umläufen wie die anderen!) ordentlich geschlossen ist.
TROTZDEM:
Wieso haben wir jetzt eine Amplituden-Änderung, aber kaum eine Änderung der Symmetrieachsen-Richtung (in Analogie zur Ellipse „Apsidenlinie“)? Ist die Richrtung der Amplitudenänderung vielleicht einfach davon abhängig, ob wir „vorwärts“ oder „rückwärts“ nähern, also die aktuellen Momentanwerte auf die Peiode vor oder nach „jetzt“ anwenden?
Dazu ein einfacher Test: Wir vergleichen einmal die gute alte Rechtecktechnik mit einer Mittelung über zwei Perioden (entspricht etwa der Trapez-Methode anstelle der Rechteckmethode), und zwar einmal über die Geschwindigkeit, einmal über ide Beschleunigung und einmal über beide gemittelt und daraus auf den Zeittakt zurückgeschlossen, um etwa konstante Wegtakte anstelle konstanter Zeittakte zu nehmen. Dazu kann man in einer EXCEL-Tabelle für die Berechnung eine doppelte WEMM-Funktion nutzen, die die Stellungen der entsprechenden „Schalter“ berücksichtigt.
Das Ergebnis ist befriedigend, denn es bestätigt unseren Verdacht, dass die Amplituden-Änderung von der Richtung der Korrektur abhängig ist, und es bestätigt unsere Überzegung, dass bei hinreichend kleinem Takt alle Ergebnisse ineinader übergehen (Start bei (3;0) nach oben):
Beim konstanten Weg ergibt sich nach Stauchung der Ellipse zum Kreis irgendwann eine Takt-Schwingung, die zu einem Polygon führt. Die konstante Zeit lässt eine rückwärts drehende Rosette entstehen, weil in der Periapsis durch zu großen Takt nicht konsequent genug eingedreht wird.
Die drei Mittelungen (zwei je einzeln, eine kombiniert) für den konstanten Weg ergeben (die Anzahl der Umläufe wurde hier der besseren Anschaulichkeit wegen verringert):
Die Symmetrieachse bleibt jetzt also etwa erhalten, aber die Amplitude wächst dafür, was keine Verbesserung darstellt!
Das gleiche mit besserer Genauigkeit durch kleineren Takt:
Und nun noch mit sehr kleinem Takt, also ziemlich genau:
Zusammengefasst:
Bei konstantem Weg im Einzeltakt verkleinert sich die Amplitude, bei Mittelung der Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung über zwei Takte vergrößert sie sich. Bei konstantem Zeittakt dagegen dreht sich die Apsidenlinie. Ein Dilemma?
FAZIT:
Wir müssen also irgendwann einmal genauer nachdenken! Bis dahin geben wir dem Rechner einfach mehr Zeit für eine große Zahl kleiner Stützstellenabstände bei klassischer Methode.
Vermutung: Wenn wir statt kurzer Geraden in jedem angepassten Zeittakt kurze Kreisbögen (aus v*dt = ds und w*dt = dalpha oder ds*kappa = dalpha) setzen, dann sollte das Ergebnis besser werden können! (folgt…)
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