Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


2.8.6.2 BILLARD als chaotisch-elastische Stöße

Kann man (als Vorstudie für gravitative Wechselwirkung) die Bewegung eines ganzen Haufens von Billard-Kugeln modellieren?

Einfachster Fall:

Wenn man alle Anfangsbedingungen kennt und von elastischen Stößen und Reibungsfreiheit beim Rollen ausgeht (und auch von identischen Kugeln), liegt das „Chaos“ nur noch im Auge des Betrachters, denn jeder einzelne Stoß ist streng determinert.

Rechnerisch vereinfacht man sich die Angelegenheit, indem man für jedes stoßende Paar eine Transformation ins Schwerpunkt-System vornimmt (wodurch eine zentrale Stoßkomponente abspaltbar wird, bei der nur eine (symmetrische!) Reflexion stattfindet, während die Komponente senkrecht dazu – die tangentiale – erhalten bleibt) und dann wieder zurück transformiert. Man fragt also im Zeit-Intervall alle möglichen Pärchen des Systems ab, ob sie im kritischen Stoß-Abstands-Intervall sind, und startet dann das Unterprogramm des Einzelstoßes.

Ergebnis: Bei jedem Einzelstoß gilt sowohl der Energie- als auch der Impulssatz, da aber die Transformation in gleichmäßig geradlinig bewegte Bezugssysteme (Galilei-Trafo) zu einer Änderung beider Größen bezüglich des Haupt-Bezugssystems (Billard-Tisch) führt, findet eine Umverteilung der konstanten Gesamt-Energie und des konstanten Gesamt-Impulses auf die Teilnehmer statt.

Würde man eine Mindest-Energie festlegen, bei der eine einzelne Kugel das System verlassen kann (über den Rand springen), so würde eine „Verdampfung“ eintreten können.

Hier mal eine Serie von Darstellungen für 10 Kugeln mit stochastischen Anfangsbedingungen. Damit man ihre Bahnen sehen kann, werden sie optional aufgezeichnet:


Das funktioniert also blendend. Der unerwartete Zusatzeffekt der Paarbildung (mit sichtbarem Drehimpuls, auch Tripel kommen vor…) ist der Konkretisierung des Abstands-Intervalls für die Stoß-Abfrage geschuldet, denn da passiert eine ständige Reflexion innerhalb dieses Intervalls. Diese „Molekül-Bildung“ ist aber grafisch interessant, weshalb sie nicht abgefangen wird (kann auch mit dem Rand passieren, dann entstehen Banden-Roller).

Viel spannender als diese Spurbilder ist selbstverständlich die Beobachtung des sich bewegenden Haufens, weil man da den ständigen Wechsel der „absoluten“ Geschwindigkeiten der Kugeln (also ihrer relativ zum Tisch existierenden Geschwindigkeiten) erleben kann, wobei manche Kugeln mal fast still stehen, andere dafür aber rasen.

Erweitert man das Ganze nun tatsächlich um

– Einfluss der Schwerkraft

– Möglichkeit des Verlassens des Systems ab Grenzenergie

– Möglichkeit des „Heizens“ (Energie-Zufuhr)

so kann man sowohl eine Schichtung feststellen als auch eine „Temperatur“ als Mittelwert der Einzelenergien ableiten und mit der Gesamtenergie (der sich durch „Verdunstung“ reduzierenden Gesamtzahl an Teilchen!) vergleichen.

Modell einer gravitativen Schichtung eines idealen Gases (nur elastische Stöße untereinander und am Rand und mit Energieaufnahme am Boden) mit „Verdunstung“ über den Rand des Topfes

Fazit:

Man kann eine vorsichtige Vorstellung vom Sinn der thermodynamischen Statistik (Zeitmittel, Scharmittel etc.) bekommen, wenn man hier spielt. Mit mehr Aufwand und einem besseren Rechner kann man auch einen ganzen Laster seine vielen Tonnen Kies abladen lassen und die Haufen-Entstehung samt sämtlicher wegrollender Kieselsteine auf blankem Hof-Pflaster vollstsändig diskretisiert modellieren: Jeder Kieselstein hat seine Nummer (existiert konkret „diskret“ – also individuell – samt seinen Anfangsbedingungen) und erlebt alle Stöße bis zur eintretenden Ruhe (hier nun durch Reibung).

Es besteht also Hoffnung, auch im gravitativen Fall Erfolg mit dem Mehrkörper-Problem haben zu können.