Joachim Adolphi

Struktur als Protokoll des Werdens


Darstellung von räumlichen Richtungen und ihre Umrechnungen in Kugelkoordinaten: Nachführung eines Solar-Paneels

Schaffen wir es ohne viele Tricks, Probleme in Kugelkoordinaten zu lösen?

Ein Spezialfall von „räumlichen Richtungen“ ist jener, bei dem es tatsächlich nur um die Richtungen selbst geht und der Abstand ohne Belang ist. (In der Vektorrechnung würden wir von „Einheitsvektoren“ sprechen, deren Betrag also immer 1 ist.) Wo kommt das vor?

Wenn man von einem Beobachtungsort ein Objekt verfolgen will, dessen Entfernung keine Rolle spielt, so kann man allein mit Winkeln arbeiten. Als „Entfernung“ nimmt man eine beliebigen Kugelradius an: Wir kennen das von der gedachten Himmelskugel, deren Radius schlicht keine Rolle spielt. Dann können wir die Sternörter mit zwei Winkeln als Koordinaten angeben: Kugelkoordinaten.

Wir erinnern uns aber, dass es dabei einige Rechenaufgaben gibt, wenn man scheinbare Bahnen von Sternen darstellen will, weil sowohl der Beobachtungsort auf der Erde als auch die Rotation der Erde eine Rolle spielen. Eines aber bleibt konstant, jedenfalls in Zeiträumen eines Menschenlebens: die Winkelbeziehungen der Sterne untereinander. (Ferne Doppelsterne, die man mit dem Teleskop beobachtet, einmal ausgenommen!)

Noch komplexer wird es bei der Beobachtung von Objekten, die sich ihrerseits vor der Himmelskugel bewegen: Planeten, Sonne, Mond und Asteroiden, Kometen und Raumschiffe.

UND: In der Robotik werden kugelförmige Raumelemente durch Gelenke erzeugt, von denen Arme bewegt werden können.

Immer wieder entsteht also die Aufgabe, in solchen Systemen Übergänge von einem zum anderen zu berechnen, um sowohl messen als auch sinnvoll steuern zu können.

Das einfachste Beispiel ist dann gegeben, wenn zwei Kugelkoordinatensysteme den gleichen Mittelpunkt haben und nur gegeneinander gedreht sind. Darunter ist wieder der einfachste Fall, wenn die Drehung 90° beträgt. Aber ist der wirklich einfach? Und: Wo kommt er vor?

Nehmen wir an, wir wollen von einem konstanten Beobachtungspunkt auf der Erdoberfläche ein kosmisches Objekt betrachten, dessen scheinbare Bahn uns am Himmel bekannt ist. Diese Bahn (jährliche und tägliche Bewegung des Beobachtungspunktes einberechnet) kann also in zwei Winkeln zeitabhängig angeben werden, im Winkel über dem Horizonzt und im Winkel bezüglich einer Himmelsrichtung. Jetzt wollen wir eine Nachführung bauen, die das Objekt möglichst gut anpeilt. (So etwas kauft man mit, wenn man ein Teleskop erwirbt, wir wollen aber – wie immer hier auf diesen Seiten – selber denken!)

Das Anpeilen soll über die Steuerung zweier senkrecht zueinander stehender Achsen einer Halterung erfolgen. Im einfachsten Falle würde man eine dieser Achsen parallel zur Erdachse ausrichten. Diese müsste also die Erdrotation oder die Differenz dieser zur Objekt-Rotation ausgleichen. Die zweite führt die Abweichung von der Ekliptik (Erdbahnebene) nach. Durch die Schrägstellung der Erdachse ergibt sich hier aber schon ein gewisser Rechenaufwand.

Beispiel: Schon bei der relativ einfachen Darstellung der von der Erde aus beobachteten Sonnenposition ist es ein nicht geringer Unterschied, ob man die Erdbahn genähert als Kreis oder eben exakt als Ellipse (mit veränderlicher Winkelgeschwindigkeit!) ansetzt. Zwei Bilder sollen das belegen:

echte Erdbahn-Ellipse nach https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenstand

Erde auf Kreisbahn (selber gerechnet)


Bleiben wir beim einfachen Fall einer Kreisbahn: Wie führt man dann ein mechanisches Objekt nach, wenn es mechanische Gründe gibt, die Erdachsenparallele nicht als Drehachse zu nutzen?

Für sämtliche denkbaren Transformationen findet man bestimmt Gleichungen im Internet, die normalerweise in Matrizenform dargestellt werden. Wir wollen aber SELBER DENKEN und deshalb einmal zwei Varianten probieren, wei man solche Gleichungen aus der Anschauung aufstellt.

Variante 1: Reines Positionsdenken

Man vergleicht einfach mit der Gewohnheit von Längen- und Breitengraden auf dem Erdglobus und sieht, es gibt einen Winkel für die Ost-West-Linien (Längen-Winkel auf den Breitengraden-Kreisen, von denen nur der Äquator ein „Großkreis“ ist, alle anderen sind kleiner, die Pole sind nur noch Punkte) und für die Nord-Süd-Linien (Breitenwinkel auf den Längengraden-Kreisen, die alle gleich groß sind – „Großkreise“).

Die Position auf einem Großkreis (hier der Einfachheit halber als Einheitskreis angesehen, damit wir den Zahlenwert des Kugelradiusses nicht mitschleppen müssen, der sowieso keine Rolle spielen soll) wird mit Sinus und Cosinus ausgedrückt. Setzen wir den Azimutwinkel phi im Kreis-Schnitt mit der x-Achse auf Null, so haben wir für den Punkt P(i,0) der Nummer i in der Äquator-Ebene (theta=0) gewohnheitsmäßig

xi = cos(phii); yi = sin(phii); zi=0

Wandern wir auf den Breitenkreisen nach oben, reduziert sich der Radius des Einheits-Kreises der Nummer j auf rj = r*cos(theta), wenn wir theta=0 im Äquator setzen, wie es in der Astronomie üblich ist (in der Physik ist theta=0 im Pol).

Dadurch verändern sich obige Gleichungen zu

xij = cos(phii)*cos(thetaj); yij = sin(phii)*cos(thetaj); zij=cos(thetaj)

zij ist also nicht von phi abhängig! (Das ist die Ratationssymmetrie der Kugel um jede, also auch um diese Achse, die als physikalische Rotationsachse gedacht ist).

Wollen wir diesen Punkt nun mechanisch ansteuern, können wir uns zwei unabhängige Bewegungen um zwei unabhängige Achsen denken, die sowohl gleichzeitig als auch nacheinander ausgeführt werden können. Wir denken uns die x-Achse als Zeichenstift, der von innen die durchsichtige Kugeloberfläche bemalt, so dass man das Gemälde sowohl von innen als auch von außen „sehen“ kann. Zuerst drehen wir den Stift um den Winkel phii um die z-Achse (die x-Achse, die ja den Stift trägt, wird also aus ihrer „Ruhelage“ weggedreht und nimmt natürlich die y-Achse dabei mit!), und dann kippen wir die x-y-Ebene um die (neue!) y-Achse um den Winkel thetaj. Dann zeigt der Stift genau auf den Punkt Pij.

Das „Bild“, das vom Stift gemalt worden ist, ist ein sphärischer Rechter Winkel: Erst ein Abschnitt phi0 bis phii auf dem Äquator (Breitengrad 0), dann ein Abschnitt (theta0 bis thetaj) auf dem Längengrad phii.

Das Objekt mit dem Stift, das wir bewegt haben, ist also zum Beispiel eine kreisrunde Platte, die „in Ruhestellung“ (phi=0, theta=0) mit dem Äquatorvollkreis identisch ist. (Es ist keine Einschränkug der Allgemeinheit, wenn wir den Stift an einer Symmetrieachse einer rechteckigen Platte festmachen, die um ihren Mittelpunkt gedreht und um die andere Symmetrieachse gekippt werden kann).

Nun ist es also eine Frage der Koordinatentransformation, wenn ein anderer Stift die gleiche parametrierte Kurve K(phi(t), theta(t)) zeichnen soll, aber an einer anderen Vorrichtung befestigt ist, deren Dreh-Achse und deren Kippachse also andere sind. Dort haben wir andere Winkel mit anderen Bezeichnern. Zur Probe können wir das kartesische x-y-z-System nutzen, dass auch als Zwischenrechnung dienen kann, wenn die Winkel zu verwirrend erscheinen.

Beispiel: Wir wollen den Stift nicht die Katheten eines sphärischen Rechten Winkels zeichnen lassen, sondern gleich die Hypothenuse. Dazu könnten wir beide Achsantriebe gleichzeitig laufen lassen und die beiden Winkelgeschwindigkeiten vorher berechnen. Aber wir könnten auch die Drehachsen anders anbringen:

Wir drehen einmal um den Stift (also die x-Achse) selbst, womit sich die Achsen der y-z-Ebene mitdrehen, und kippen dann wieder um die y-Achse, die aber nun in z-Richtung verdreht ist (vorhin war sie in x-Richtung gedreht worden). Der Stift, dessen Spitze immer noch bei x=0 auf dem Äquator sitzt, wird nun diagonal zum sphärischen Rechten Winkel bewegt, wenn die Drehung um die x-Achse richtig berechnet worden ist und nun die Kippung um die veränderte y-Achse allein erfolgt.

Die Diagonale entsteht jetzt also NICHT mehr durch gleichzeitiges Drehen um zwei Achsen, sondern durch alleiniges Drehen um eine neue, exakt dafür ausgerichtete Achse!

Der Stift landet dann im  selben Punkt wie im ersten Fall. Wir haben also, fügt man beide Stift-Spuren zusammen, ein sphärisches rechtwinkliges Dreieck gemalt.

Mathematisch sieht das dann so aus:

a) Weltsystem kartesisch x-y-z

b) Kugelsystem phi (Winkel in x-y-Ebene ab x), theta (Winkel zur x-y-Ebene oder zur z-Achse, je nach Festlegung: sin – hier – oder cos), r=1

x = cos(phi)*cos(theta)

y = sin(phi)*cos(theta)

z = 1 * sin(theta)

phi = arctan(y/x)

theta = arcsin(z)

c) Kugelsystem alpha (Winkel in y-z-Ebene ab y), beta (Winkel zur y-z-Ebene oder zur x-Achse, je nach Festlegung: sin – hier – oder cos)

x = 1 * sin(beta)

y = cos(alpha)*cos(beta)

z = ain(alpha)*cos(beta)

alpha = arctan(z/y)

beta = arcsin(x)

Die Umrechnung der Winkel untereinander erhält man nun einfach durch Einsetzen aus den kartesischen Koordinaten:

alpha = arctan(sin(theta)/(sin(phi)*cos(theta)))

beta = arcsin(cos(phi)*cos(theta))

Mit zwei Zahlenbeispielen kann hier demonstriert werden, wie sich das sphärische rechtwinklige Dreieck vom ebenen um so mehr unterscheidet, je größer die Winkel werden:

die Winkel sind hier aus Anpassungsgründen an eine konkretes Projekt anders bezeichnet:

sh=phi (Sonne horizontal); sv=theta (Sonne vertikal); wx=alpha (Winkel um x-Achse); wy=beta (Winkel um y-Achse)

(Die Maschinen-x-Achse steht in Südrichtung senkrecht an einer senkrechten Wand, welche die y-z-Ebene repräsentiert. Die Maschinen-y-Achse ist die Oberkante einer rechteckigen Platte (Solar-Paneel).)

Erstes Beispiel: kleine Winkel (phi=theta=1°). Der Winkel wx weicht nur sehr leicht (in der 5. Stelle!) von 45° ab, der Winkel wy entspricht auf 4 Stellen der Diagonalen eines ebenen Quadrats.

Zweites Beispiel: mittlere Winkel (phi=theta=45°). Der Winkel wx ist deutlich kleiner als 45° geworden, der Schwenk wy ebenfalls deutlich geworden, nämlich kleiner (60,000°) als im ebenen gleichschenkligen rechtwinkligen Dreieck die Seitenlänge (63,630″°“) wäre.

Drittes Beispiel zur Prüfung der Grenzwerte: Extremwinkel (phi=theta=90°).

Sind phi und theta parametrisierte Werte einer konkreten Kurve k1(phi(t),theta(t)), sollte die gleiche Kurve wieder entstehen, wenn man mit alpha und beta bei obiger Umrechnung mit k2(alpha(t),beta(t)) arbeitet. Dann könnte man neben der Ansteuerung noch Sensoren anbringen, um eventuell nachregeln zu können. Dabei wäre u.U. noch eine Winkelkorrektur (meist um exakt 90°, was einen Tausch von sinus mit cosinus mit sich bringt) anzubringen, wenn zum Beispiel die Hauptrichtung der Sensoren (z.B. Beschleunigungssensor als Messer der Richtung der Erdanziehungskraft in Bezug auf die verdrehte Stift-Halterung) nach -z statt nach +x zeigt.

(Dieses Anwendungs-Beispiel für die Umrechnung von Kugelkoordinaten ineinander läge vor, wenn man ein Solarpaneel an einer senkrechten Wand anbringt, an seiner Oberkante die y-Achse definiert und die x-Achse bei wandparallelem Paneel waagerecht von der Wand weg zeigt, zum Beispiel nach Süden. Dann würde die Platte um den Winkel alpha um die x-Achse gedreht und um beta um die y-Achse, also die Oberkante des Paneels. Die ebene senkrechte Wand, an der die Anlage angebracht ist, stünde also in keinem Fall einer Paneel-Bewegung „im Wege“. Sofern man nicht zwei Schrittmotoren für die Achsdrehung, sondern zwei diagonal in den jeweiligen beiden Ebenen angeordnete Linearaktoren (Kolben zwischen zwei Gelenken) zur Positionierung verwendet, erspart man sich mit Hilfe dieser Regelung über die Komponenten des Beschleunigungs-Sensors die Umrechnung der Winkel in den Kolbenhub.)

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