G5 Spielen nach Noten „vom Blatt“
Komplex 5: Vom Blatt spielen
Wenn man spontan mit anderen Musikern spielen will, die im Besitz von Noten sind (man kann ja auch auf Zuruf Titel spielen, die alle auswendig kennen), ist es von großem Vorteil, das direkt „vom Blatt“ erledigen zu können.
Was ist dazu erforderlich?
1. Man muss Noten lesen können
2. Man muss Noten als Intervalle und Tonleiterstufen interpretieren könen, um zur Not zu transponieren
3. Man muss Noten harmonisch interpretieren können, um zu begleiten
Für den Gesang ist das einfacher, sofern man Intervalle oder Tonleiterstufen aus den Noten erkennen und diese singen kann, dann ist es sogar völlig egal, in welcher „klingenden“ Tonlage man das macht (will heißen, dass man Noten, die in C-Dur geschrieben sind, einfach auch in B-Dur singen kann, wenn man auf dem richtigen Ton – zum Beispiel durch den Chorleiter vorgegeben – beginnt.
Wie lernt man das Notenlesen??
Das ist eine schwierige und zeitaufwändige Sache, weil es nur einen Weg dafür gibt, nämlich das ÜBEN, ÜBEN und nochmals ÜBEN, und zwar mit immer wieder mit anderen neuen und also unbekannten Noten!!
Wieso kann man das schaffen?
Ganz einfach: Wir haben das alle schon einmal geschafft, nämlich bei Lernen vom Vorlesen unbekannter Texte. Man liste dann keine Buchstaben vor, sondern ganze Wöretr, die sogar richtig betont in den sachlichen Zusammenhang des ganzen Satzes passen. Wie kann das sein? Einmal dadurch, dass unser Blick weiter vorn ermittelt, was wir am Ende des „Jetzt“ verlautbaren lassen wollen, und zum anderen dadurch, dass wir einen „Erwartungsbaum“ besitzen, in welchen Varianten der Satz vernünftigerweise weiter gehen müsste!
Das Lernen das Lesens fand in einem Alter statt, wo unser Gehirn alles wie ein Schwamm aufnahm. Das Notenlesenlernen als Erwachsener ist so schwer wie das Erlernen einer ganz fremden Fremdsprache als Erwachsener (Kinder im Sandkasten erlernen das viel, viel schneller…) Leider aber ist es heute so, dass Kinder das Auswendigspielen einzelner Passagen nach YouTube lieber machen als das Notenlesen, das ihnen viel leichter fallen würde als uns…
In meiner Kindheit (1950er Jahre) gab es schon die ersten Anzeichen dieser Entwicklung, indem manches Kind stolz den ersten Teil des „Flohwalzers“ fast nur auf schwarzen Tasten (deren Töne zu benennen sie nie in der Lage waren!) auf dem Klavier herunterhämmerte… Sie ahnten natürlich nicht, dass dann interessante Variationen des Themas folgen müssten! (Dazu kommen wir im Komplex „Improvisation“)
Also:
In den Komplexen 2 bis 4 haben wir die Bausteine (im Vorlese-Text wären das Wörter und Satzteile und vermutete Aussagenlogik) von Melodien samt ihrer logischen Beziehungen (Harmonie und Kontrapunkt) ansatzweise kennengelernt. Jetzt ist es die Aufgabe, das zuerst schrittweise vom Einfachen zum Schwierigeren zu lernen:
1. Noten nur lesen ohne zu spielen und dabei zu versuchen, sich den reinen Klang jeder Note vorzustellen.
2. Beim Lesen darauf achten, ob man einzelne Phrasen wiedererkennt (Teile einer Tonleiter, Teil von gebrochenen Dreiklängen)
3. Beim Lesen prüfen, ob man Leittöne erkennt, die auf einen Harmoniewechsel hindeuten könnten
4. Beim Lesen versuchen, den harmonischen Zusammenhang zu entdecken
5. Nun vom schon verstandenen Blatt spielen
6. Nun ohne vorheriges Lesen vom Blatt spielen (höchste Stufe des KÖNNENS, weil viel Vorausschauen erfordelich ist)
Für diesen Prozess ist es von Vorteil, eine Unterstützung durch Sachkundige zu bekommen.