G1 Die Töne der Gitarre
Komplex 1: Die Töne der Gitarre kennen und spielen
WISSEN: Die normale Gitarre hat sechs Saiten, die grundsätzlich in Quarten gestimmt sind.
VERSTEHEN: Warum gerade in Quarten? (Schlag nach, was eine Quarte ist!)
Der normale Mensch hat neben dem Daumen vier Finger an der Hand. So kann er, ohne die Lage der gesamten Hand zu verändern, vier nebeneinander liegende Bünde der Gitarre nutzen, um die frei schwebende Saite zu verkürzen. Damit kommt er beim Verkürzen der Saite von der Kleinen Sekunde (Halbton) bis zur Großen Terz (zwei Ganztöne oder vier Halbtöne). Der nächste Halbtonschritt zur Quarte (fünf Halbtöne) ist nicht mehr erforderlich, denn dafür ist ja die nächst höhere Saite gespannt.
ÜBEN: Spiele der Reihe nach die leere Saite und die ersten vier Bünde („chromatische Tonleiter“, nachschlagen!) der tiefsten und aller folgender Saiten, bis es ohne hinzusehen schnell aufwärts und abwärts funktionert! Besonders schwer wird des für den kürzeren Kleinen Finger (Finger-Nummer 4 auf der Gitarre für den 4. Bund), der gern auf der nächst höheren Saite landet…
VERSTEHEN: Warum ist der Abstand zwischen der 4. und 5. Saite nur eine Große Terz anstatt einer Quarte?
Für das Akkord-Anschlagen wird der Fingersatz viel einfacher, wenn alls sechs Saiten harmonisch einigermaßen zusammenpassen. Die 1. und die 6. Saite sind 2 Oktaven auseinander (bei ausschließlich Quarten wären sie einen Halbton weiter voneinander entfernt und ziemlich dissonant). Nun sind alle sechs Saiten auf Töne der „Pentatonik auf G“ (nachschlagen!) gestimmt, was die Barré-Griffe wesentlich einfacher macht, das Tonleiter- und Melodiespiel dafür aber etwas komplizierter.
ÜBEN: Versuche allein mit dem quer liegenden 1. Finger (Zeigefinger) alle sechs Saiten so herunterzudrücken, dass sie gleich gut frei schwingen können und verschiebe diesen „leeren“ Barré-Griff jeweils um einen Bund.
VERSTEHEN: Warum wird der Abstand benachbarter Bünde vom Wirbelkasten bis zur Zarge des Körpers immer geringer?
Mathematik: Das Verhältnis der Saitenlängen bleibt immer gleich, weil das Verhältnis der Frequenzen eines Intervalls fest vorgegeben ist, unabhängig von der Frequenz selbst. Beispiel: Die Oktave hat das Frequenzverhältnis 2:1, die dazugehörigen frei schwingenden Saitenlängen (derselben Saite!!) also 1:2. Das kannst Du an Deinem Instrument nachmessen: Bund 12 (Oktave) muss auf der halben Länge der gesamten Saite liegen!
Da zwölf Halbtöne eine Oktave bilden sollen, ist das Schwingungsverhältnis der Kleinen Sekunde (des Halbtons zum Vergleichs- oder Bezugston) also die zwölfte Wurzel aus 2. (Frage Deinen Taschenrechner, wieviel das ist!)
Für den nächsten Halbton aber müssen wir die nun schon verkürzte Saite wieder um das gleiche Verhältnis (NICHT um den gleichen Längenbetrag!) kürzen, was wegen der verkleinerten Bezugsgröße also etwas weniger ist. So haben die Bünde um die Oktave herum eben nur noch einen etwa halbsogroßen Abstand wie ganz oben am Wirbelkasten. (Bei der nächsten Oktave, ein Viertel Saitenlänge vom Steg entfernt, sind auch die Bünde nur noch ein Viertel so weit entfernt – hängt von der Bauart der Gitarre ab, ob da tatsächlich noch Bünde sind…)
Für die Freunde von Zahlen hier etwas genauer: Die Frequenzen der Obertöne der harmonischen Schwingung sind ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz. Musikalisch sind das Grundton, Oktave (2:1), Quinte auf der Oktave (3:2), zweite Oktave (4:1), Terz auf der zweiten Oktave (5:4), Quinte auf der zweiten Oktave (6:4 = 3:2), harmonische Septe auf der zweiten Oktave (7:4), dritte Oktave (8:1), Große Sekunde auf der dritten Oktave (9:8, also 1/8 über 1 und gleichzeitig die zweite Quinte über 2, also 1/2*3/2*3/2=9/8). Halbieren wir die Große Sekunde gerundet zur Kleinen, so ergäben sich 1/16 über 1, also 17/16. Die Saitenlänge müssten wir also reziprok um 1/17 von 17/17 auf 16/17 kürzen, um den ersten Bund zu befestigen. Wir messen nach: Bei mir sind die Saiten 62 cm lang, 1/17 davon sind 36,5 mm, mein Lineal zeigt mir etwa 36 mm an.
(Noch genauer: Die wohltemperierte Quinte ist etwas kleiner als die harmonische, weil 12 Quinten mehr als 7 Oktaven wären und der Quintenzirkel dann nicht aufgeht: 3/2 hoch 12 = 129,75 ist mehr als 2 hoch 7 = 128. Das passt relativ gut zu dem halben gemessenen mm!)
ÜBEN: Spiele nebeneinander liegende Halbtöne (Teile einer chromatischen Tonleiter) in Oktaven-Umgebung, zum Beispiel von Bund 12 bis 15, um Deine Finger daran zu gewöhnen, dass der Bundabstand vom „Ort des Geschehens“ abhängt. (Auch die Streicher müssen das auf ihren Griffbrettern üben, und die haben nicht einmal Bünde!!!)
WISSEN: Da die Quarte das Ergänzungsintervall der Quinte zur Oktave ist (im Zehnersystem lernt man in der Schule die „verliebten Zahlen“, die sich paarweise zu 10 addieren), also das „verliebte Intervall“ zur Quinte, kann man die Stimmung der Gitarre e-a-d‘-g‘ auf den ersten vier Saiten auch als gegenläufig zum Quintenzirkel sehen.
WISSEN: Das interne Stimmen der Gitarre kann erfolgen, indem man jeweils das erforderliche Intervall zur nächst höheren Saite am entsprechenden Bund erzeugt und solange die leere Saite korrigiert, bis Übereinstimmung erfolgt. (Man kann übrigens auch das Gehör so schulen (ÜBEN!!!), dass man die Quarte wie die Quinte hören kann.) Allerdings kann es auf diese Weise passieren, dass die Gitarre zwar intern richtig klingt, aber insgesamt zu hoch oder zu tief gestimmt ist. Dazu kann ein Instrument mit festen Tönen (im Sinfonieorchster ist das die Oboe, zu Hause kann das ein Klavier oder eine Stimmgabel sein) oder eine App auf dem Handy dienen. Ich rate davon ab, sämtliche Saiten nach der App zu stimmen, weil das verhindert, dass man mit seinem Instrument vertraut wird. Man sollte also auch üben, von einem anderen Instrument die Stimmung für nur eine Saite zu übernehmen, dann kann man sich in Bands oder Orchestern sicherer bewegen.
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